BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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sondern im Schmutz der Sinnlichkeit wadet. – Wo sind die Geister, die aus dem Centrum des Höchsten heraus schaffen, und von dem Christenthum beseelt, der Wahrheit dienen? Wenn es wahr ist, daß in allen Epochen aus der Richtung der Poesie die Bildungsstufe eines Volkes zu erkennen ist, so möchte man aus den vorliegenden Produktionen auf eine nur noch gunst-buhlerische, geldsüchtige Generation schließen. – Als ich mehr noch darüber nachsann, beschlich die Wehmuth mein Herz. Eben war die Sonne im Sinken und die Vorboten der Nacht, feuchte Nebel, stiegen aus dem Thale auf. Die dunkeln Eichen schienen riesiger und tauchten in den nächtlichen Himmel. Bald gewahrte ich eine lichte Stelle, und zwei hohe Gestalten, die im Fliehen sich umschlangen. Die Eine umschwebte ein Sternenkranz, die Andere hielt im Arm die Leier; Religion und Poesie, so hieß das Schwesterpaar, welche die Schönheit, ein Genius, mit unverwelklichen Blumen umwand. Mit Sehnsucht verfolgte sie mein Blick, indeß mit Abscheu ich mich von einer zweiten Gruppe abwandte, die dicht über der Erde ihren Thron aufzuschlagen schien. Statt Religion seh ich die Lüge dort, die hinter einer schönen Larve ihre durch Unfrieden entstellten Züge verbirgt; kein Sternenkranz krönt sie, aber Irrlichter hüpfen ihr um das Haupt. Sie umklammert den Traum, ein gespensterhaftes Wesen, das die Schale des Taumelskelchs hinhält, und die Nacht, als Bild der Hoffnungslosigkeit, im schwarzen Mantel verhüllt, folgt wie ein Zorngewölke dem lügenhaften Traum unserer Zeit.

 

 

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Vermischte Gedanken.

 

Wenige sind es, bei denen die Liebe zur Kunst zum eigentlichen Bewußtseyn kommen kann. Wer liebt nicht schöne Formen? Aber ein Anderes ist es, durch diese hindurchdringen, sich von dem sie belebenden Geist anreden lassen und ihm antworten.

Ich hatte in Italien viele Meisterwerke gesehen und bewundert, aber die wahre Würde und Bestimmung der Kunst blieb mir fremd. Nun erst verstehe ich's, daß sie auch eine mächtige Sprache hat, die Macht, die Dinge der Vergänglichkeit zu entreißen, sie zu vergeistigen; ja eine kräftig gemalte Wahrheit kann sich der Seele des Beschauers so eindrücken, daß er von ihr überwunden wird.

 

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Der gewöhnliche Beschauer der Natur begnügt sich, sie zu bewundern, und dafür empfängt er einen flüchtigen Gruß, dem Maler hingegen, der mit und in ihr empfindet, giebt sie sich im Bilde ganz zu eigen.

 

 

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Der Künstler, der nur im Copiren lebt, macht einen schlechten Tausch; seine Individualität, seine erzeugende Kraft verschlingt dieser, jener Meister, und dagegen erhält er eine dürftige Uebersetzung. Copiren und Uebersetzen ist aber ein jämmerliches Ding. Ich lobe mir Original und Ursprache.