BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Die Entstehung des Dieselmotors

 

1913

 

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6. Versuchsreihe.

(Versuchsreihe Oktober 1896 - Juni 1897)

 

Inzwischen waren die Arbeiten am neuen Motor 250/400 mit Ladepumpe, dessen Zeichnungen am 30. April 1896 in die Werkstatt gegeben worden waren, so weit gediehen, daß die einzelnen Teile nach und nach fertiggestellt waren und nachgeprüft werden konnten.

Die Fig. 23–27 zeigen diese Maschine, die, wie bereits erwähnt, in allen Teilen vollständig neu gebaut wurde. Das Hubverhältnis = 1,6 ist wieder wesentlich verkleinert, vergl. S. 37.

Der Zylinder ist aus Gußeisen und mit seinem Kühlmantel zusammengegossen. Der Deckel ist ebenfalls aus Gußeisen und zeigt die typische Form der heutigen Motordeckel.

Der Verbrennungsraum ist endlich ein einheitlicher glatter Raum zwischen Kolben und Deckel ohne irgendwelche Nebenräume oder Ausbuchtungen, wie er für den Dieselmotorenbau allein herrschend geworden ist.

Der Werdegang des Motors bestand, wie ersichtlich, in dem tastenden Aufsuchen der richtigen Form, Lage und Größe des Verbrennungsraumes. Dieser lag bei den ersten Versuchsmaschinen im Kolben, bei den weiteren Versuchsmaschinen im Deckel und endlich bei dieser neuen Maschine zwischen Kolben und Deckel. Da mit der Lage und Form dieses Raumes die Konstruktion der ganzen Maschine im innigen Zusammenhang steht, so mußten für diese 3 Lagen der Verbrennungskammer 3 grundsätzlich verschiedene Motorformen durchgeführt werden.

Die Kolbendichtung wird ohne Spannfedern, lediglich mit 4 fast spannungslosen eingesprengten Gußringen hergestellt; der Kolben selbst ist hohl und wassergekühlt, wie bei den heutigen größeren Motoren.

Einsauge- und Austrittsventil sind getrennt und haben die heute noch übliche Konstruktion; auch die beiden Leitungen sind getrennt.

Auch das Nadelventil zeigt die heute gebräuchliche Form; Luft- und Brennstoffeintritt findet aber nicht direkt in das Nadelgehäuse statt, sondern [58] noch seitlich durch Bohrungen im Zylinderdeckel. Zu diesem Zweck ist das Nadelgehäuse konisch in seinem Sitz eingeschliffen.

 

 

Bei späteren Ausführungen wurde wieder zu der wesentlich praktischeren Konstruktion der Fig. 15 zurückgekehrt, bei welcher die Leitungen direkt am [59] Düsengehäuse, außerhalb des Zylinderdeckels einmünden, wodurch unkontrollierbare Dichtungsstellen vermieden sind.

Fig. 26 zeigt an dem Nadelgehäuse die sogen. Drehstopfbüchse, wie sie später in verbesserter Form an den schwedischen und Sulzerschen Motoren und auch an vielen belgischen Motoren ausgeführt wurde und heute noch ausgeführt wird.

Die Steuerung ist ebenfalls in typischer Weise am oberen Teil des Zylinders angebracht und betreibt gleichzeitig die an einem Steuerwellenlager angeschraubte Brennstoffpumpe, welche dadurch ganz in die Nähe der Düse versetzt ist. Auch Anlaßventil und Sicherheitsventil haben die heute allgemein übliche Gestalt.

 

 

Die Maschine hat, wie die ersten Versuchsmaschinen, eine Kreuzkopfführung. (9)

Der untere Teil des Arbeitszylinders ist mit Deckel versehen und enthält das Saug- und Druckventil der Ladepumpe (s. Fig. 23 und 25); beide gesteuert, wegen der großen Tourenzahl, welche automatische Ventile dieser Größe nicht mehr gestattet; diese Steuerung ist aus Fig. 27 erkennbar, vergl. D. R. P. Nr. 95680 vom 6. März 1896.

 

 

Die Druckleitung der Spülpumpe ist durch ein Zwischengefäß mit dem Eintrittsventil des Verbrennungsraumes verbunden (s. Fig. 23).

Der Luftpumpenzylinder ist in einen seitlichen Anguß am Motorgestell eingesetzt (s. Fig. 26), der Luftpumpenkolben wird durch Balancier und Lenker [60] von der Pleuelstange aus angetrieben und hat 6 feine eingesprengte Stahlringe als Dichtung.

 

 

Fig. 26 zeigt auch den Bau der Luftpumpenventile. Die Einblasepumpe saugt ihre Luft aus dem Zwischengefäß an, eine Methode, die heute bei Zweitaktmaschinen allgemein Anwendung findet, und sogar neuerdings patentiert wurde. [61]

 

 

Fig. 28 zeigt das Anlaßgefäß zu diesem Motor, welches auch gleichzeitig als Einblaseflasche diente. Dies war die erste aus einem Stück geschweißte Stahlflasche für Dieselmotoren. (Wie erinnerlich, war das frühere Anlaßgefäß ein genietetes Rohr mit Gußdeckeln, s. Fig. 3.)

Am Ventilkopf dieser Flasche ist links ein sog. Sicherheitsplatzventil zu sehen, wie sie damals bei den Kohlensäurekompressoren in Anwendung waren. Es bestand, s. Fig. 28 a, aus einer gußeisernen Scheibe, die auf eine ganz bestimmte, mit dem Mikrometer kontrollierte Dicke abgedreht war. Diese Dicke war auf Grund sorgfältiger Versuche mit der Wasserdruokpumpe so festgestellt, daß die Scheibe bei einem bestimmten Drucke platzte. In der Mitte war die Scheibe hutförmig verdickt, so daß der Bruch nur durch Abscherung auf einen genauen Kreisumfang stattfinden konnte. Wenn die Stangen, aus welchen diese Scheiben gedreht wurden, in horizontaler Lage gegossen waren, gelang es, die 30 oder 40 Platzventile, die aus einer Stange herausgestochen wurden, so gleichmäßig herzustellen, daß der Druckunterschied beim Platzen nur zwischen 1–2 Atm. schwankte. Derartige Platzventile wurden in der Versuchszeit an allen gefährlichen Stellen angebracht, z. B. am Düsengehäuse Fig. 15, auf dem äußeren Vergaser und am Kiestopf Fig. 12 usw., häufig auch am Zylinder selbst, wenn dieser nicht, wie in Fig. 23, mit einem richtigen Sicherheitsventil versehen war. [62]

 

 

[63] Zur weiteren Sicherung wurden in die gefährlichen Leitungen Kiestöpfe nach Fig. 12 eingeschaltet oder die Leitungen selbst mit Metalldrehspänen ausgefüllt, um das Zurückschlagen der Flamme in die Gefäße zu verhindern.

Durch ausgiebige Anwendung solcher Vorsichtsmaßregeln gelang es während der fünfjährigen Versuchsperiode jeden, auch den kleinsten Unfall, zu vermeiden. Wie notwendig diese Vorsicht war, ging aus dem großen Verbrauch an Platzventilen hervor. Ein Teil der Laboratoriumswand, auf welche absichtlich die Schußrichtung der Platzventile hingerichtet wurde, war mit Schußlöchern ganz besät.

Vorsichtshalber wurde auch an dieser Maschine der Kurbelzapfen wassergekühlt, da mit den hohen Kompressions- und Verbrennungsdrucken noch ungenügende Erfahrungen betr. zulässiger Lagerdrucke und Reibungsarbeiten vorlagen.

Es wurden in Augsburg zwei Motoren nach diesen Zeichnungen gebaut, einer als Demonstrationsmaschine für Augsburg selbst, der zweite als Muster für Krupp Grusonwerk Buckau, woselbst die Dieselmotorfabrikation aufgenommen werden sollte.

Das Journal enthält zunächst einige Bemerkungen über die Fabrikationserfahrungen. 25. Juli 1896 Druckprobe des neuen Zylinders auf 80 Atm., alles sofort gut. Nach der Bearbeitung zeigen sich doch einige undichte Stellen, woraus die Regel: „Wasserdruckprobe erst nach Vordrehen der Gußstücke machen.“

Genau gleiche Erfahrungen mit dem Luftpumpendeckel.

Wasserdruckprobe von zwei Zylinderdeckeln (es wurden vorsichtshalber zwei Stück gegossen), auf 50 Atm. Beide sind porös im Gehäuse des Anlaßventils und unbrauchbar. Abänderung der Kernzeichnung und Weglassung verschiedener Gußanhäufungen. Abguß eines neuen Deckels mit hohem, konischen, nach oben erweiterten Aufguß auf der inneren Deckelfläche. Dieser Guß gelingt tadellos.

Es mußten fünf Deckel gegossen werden, um die richtige Zeichnung und die richtige Gußmethode zu finden; viele Beratungen mit dem Gießmeister zum Auffinden der richtigen Gußmethode und Gußmischung.

Kolbenprobe: Guß ebenfalls undicht.

Es wurden für die laufende Fabrikation nunmehr endgültige und richtige Einrichtungen für die Wasserdruckproben gemacht, ferner Federwagen zum [64] laufenden Abwiegen der Federspannungen und Apparate zur Messung der Spannung der Kolben­ringe eingerichtet.

Im Herbst 1896 zog ich von Berlin nach München, um näher an Augsburg zu wohnen und die Konstruktions- und Werkstattarbeiten besser verfolgen zu können.

Am 6. Oktober 1896 ist der Motor endlich montiert. Die Anfertigung (ohne Herstellung der Zeichnungen) hatte fünf Monate gedauert.

16. Oktober erster Betrieb von Transmission. Es werden zunächst die Spülpumpe und die Einblaseluftpumpe geprüft und zahlreiche Korrekturen an Ventilen, Kolbenschmie­rungen usw. vorgenommen.

Die Kolbenschmierung, welche, wie bei allen früheren Versuchsmaschinen, als Schleppringschmierung mit Oelgefäß im unteren Zylinderdeckel ausgebildet war, erweist sich als unbrauchbar. Diese Methode, welche sich beim unten offenen Motor gut bewährt hatte, ist unbrauchbar bei dem geschlossenen Zylinder, weil die durch den Taucher mitgeschleppten Ölmengen infolge der heftigen Luftströmungen fortgeblasen werden, während beim offenen Zylinder diese Luftströmungen nicht bestehen.

 

 

Es wird eine neue Kolbenschmierung nach Fig. 29 angefertigt, und zwar mittels einer Mollerup-Druckpumpe, welche das Öl in sehr kleinen Mengen unter Druck durch ein Ringrohr an vier Stellen nach Fig. 30 zwischen die Kolbenringe direkt einpreßt, eine Methode, welche von da ab als Schmiermethode der Dieselmotorkolben bestehen bleibt. Genaue Erprobung dieser Kolbenschmierung, Messung der Ölförderung und Betriebsversuche bei verschiedenen Fördermengen Journal: „Die Öldichtung zwischen den Kolbenringen ist erreicht.“

 

 

Es dringt kein Öl mehr nach dem Verbrennungsraum. Dagegen sammeln sich große Ölmengen im Luftzwischengefäß; Anbringen eines Ölabscheiders in demselben zur Vermeidung von Ölexplosionen und daraus möglichen Unglücksfällen.

Dieser Ölabscheider allein genügt jedoch nicht. Es müssen im Gefäß selbst Abscheidevorrichtungen in Form von Prellwänden angebracht werden nach Fig. 31. Es wurde dieser Frage der Ölabscheidung im Zwischengefäß die größte Aufmerksamkeit zugewendet, ehe gewagt wurde, den Motor in Betrieb zu setzen.

 

 

Journal: „Jetzt gelangt die Luft vollkommen ölfrei zur Nachkompression und in die Luftpumpe.“ Jetzt erst sind also Explosionen ausgeschlossen. Es wurden [65] an dieser Ölabscheidung späterhin noch weitere Verbesserungen vorgenommen, auf die hier nicht weiter eingetreten werden soll.

Fabrikationserfahrungen aus dieser ersten Betriebszeit. Warmlaufen der Bronzeschalen der Hauptlager durch Verziehen derselben, Ersatz durch Gußschalen mit Weißmetall. Journal: „Niemals Bronzelagerschalen für Hauptlager anwenden.“ [66]

Klemmungen der zu genau gearbeiteten Ventilspindeln, dieselben müssen mit etwas Spiel gearbeitet werden.

Versuche der Schalldämpfung beim Einsaugen durch Saugkörbe, Saugtöpfe, enge Spalte und Variation der Einsaugequerschnitte. Messung der volumetrischen Wirkungsgrade, der Ventilwiderstände an Spül- und Einblasepumpe vermittels schwacher Indikatorfedern. Untersuchung der Ventilschläge, Anfertigung von Puffern, von stärkeren Ventillaternen, weil die alten sich verbogen, verschiedene Verbesserungen an der zwangläufigen Steuerung der Ladepumpenventile.

Genaues Studium der Steuerung der Hauptventile und der Nadel und Feststellung der Steuerkurven. Reduzierung des Nadelhubes von 8 mm auf 4 mm und dadurch Beseitigung des heftigen Schlages. Die Steuerung arbeitet jetzt „fast“ lautlos. [67]

Bei der Erprobung der Petroleumpumpe entstehen Einsaugeschwierigkeiten. Regel: Das Petroleum muß der Pumpe stets unter Druck bzw. Gefälle zufließen. Zahlreiche Versuche der Kolbenpackung dieser Pumpe mit Leder, Metall, Baumwolle usw.

Anlaßversuche gelingen sofort. Korrektur des Anlaßventils, welches die Luft zu stark drosselt.

Wie bereits früher erwähnt wurde, hatte dieser Motor anfangs nur eine Anlaßflasche, die auch als Einblaseflasehe diente. Es erwies sich jedoch als zweckmäßig, die Anlassung von der Einblasung zu trennen, und es entstand jetzt die erste selbständige Einblaseflasche nach Fig. 32, die auch schon im D. R.-P. Nr. 82168 v. Nov. 1893 erwähnt ist; dieselbe war aus Bronze gegossen, da derartig kleine Flaschen aus geschweißtem Material damals nicht gemacht wurden. Die Fig. 33 zeigt die Verbindung von Anlaß- und Einblaseflaschen mit Rückfülleitung und Entwässerung, wie sie bis heute noch typisch geblieben ist.

 

 

Die Wirkung der Vorkompression auf den Verbrennungsvorgang wird geprüft und ergibt sehr große Diagramme, z. B. Nr. 35, welches 10,6 kg/qcm mittleren Druck zeigt. Bekanntlich ist es heute noch ein Bestreben bei den Zweitaktmotoren, die Diagramme gegenüber den Viertaktmotoren durch Stauung der Ladeluft im Zylinder zu vergrößern.

Diese Diagramme waren sogar viel zu groß, der Enddruck der Expansion ist noch 5 bis 6 Atm., und es entsteht daraus ein bedeutender Verlust durch unvollständige [68] Expansion, wodurch die Maschine unökonomisch wird. Aber das Prinzip der Vergrößerung des Diagramms war damals schon durchgeführt. Es wird erkannt, daß zu viel Luft vorhanden ist und die Steuerung wird so abgeändert, daß man die Luftmenge verändern kann, und zwar durch teilweises Offenhalten des Saugventils der Ladepumpe beim Rücklauf des Kolbens. Selbstverständlich erfordert jede veränderte Luftmenge jedesmal eine entsprechende Veränderung des Kompressionsraumes; zu diesem Zwecke werden auf den Kolben Platten von verschiedener Dicke aufgesetzt.

 

 

12. Dezember 1896. Versuche mit einem anderen Brenner nach Fig. 34, dem sog. Streubrenner. Das Diagramm gibt 9,5 kg ohne Rußbildung. [69]

Bisher hat die Maschine noch einen sogen. Petroleumtopf unter Druck, in welchem von der Petroleumpumpe aus ein konstantes Niveau erhalten wird, während die Regulierung an der Düse mittels Tropfventils von Hand vor sich geht (vgl. Fig. 19). Am 12. Dezember 1896 steht im Journal: „Wenn es gelingt, mit der Pumpe direkt die Petroleummenge zu regulieren, so kann dieselbe direkt in die Düse pumpen und der Petroleumtopf mit seinen Leitungen, Hähnen und Komplikationen fällt weg.“

 

 

Infolgedessen Konstruktion eines Regulierventils an der Petroleumpumpe nach Fig. 35 in Form eines kleinen Überlaufventils.

Messung und graphische Darstellung der bei verschiedenen Stellungen dieses Regulierventils geförderten Brennstoffmenge; die Vorrichtung leidet an dem Übelstand, daß der größte Querschnitt des Überlaufes nur 1 mm Durchmesser hat und daß diese Art der Regelung einen absolut konstanten Einblasedruck voraussetzt, da bei variablem Druck die durch den gleichen Querschnitt zurücklaufenden Mengen sich verändern. Aus dieser Wahrnehmung folgt die Anfertigung eines automatischen Regulierventils für den Einblasedruck an der Einblasepumpe. Dieses Ventil reguliert die eingesaugte Luftmenge mit Hilfe einer unter dem Druck der Einblaseflasche stehenden Membrane (Vorführung der Zeichnung heute ohne Interesse).

Erprobung dieses Regulierventils. Es reguliert den Einblasedruck sehr genau, ist aber empfindlich und zu Störungen geneigt. 30./31. Dezember. Betrieb des Motors mit diesen neuen Einrichtungen, also mit Petroleumförderung von der Pumpe aus direkt in die Düse und automatischer Regelung des Einblasedruckes. Die Arbeit ist gut. Beim Anlassen treten Schwierigkeiten auf. Es zeigt sich, daß es notwendig ist, vor dem Anlassen die Petroleumleitung bis oben hin zu füllen. Herstellung einer Vorrichtung hierfür. Betrieb jetzt ausgezeichnet. Zündung erfolgt beim Anlassen jedesmal sofort bei der ersten Einspritzung.

Es ist zu erwähnen, daß die Einblasepumpe an dieser Maschine einstufig gebaut wurde, trotzdem an den vorhergehenden Motoren die extra stehende Einblasepumpe zweistufig war. Für die einstufige Anordnung war aber mein Wunsch nach äußerster Einfachheit des Motors maßgebend, da ich fürchtete, [70] daß die allmählich jetzt auftretenden Interessenten in einer zweistufigen Pumpe eine zu große Komplikation der Maschine erblicken würden.

21. Dezember 1896. Brief an Krupp-Gruson, in welchem alle Fabrikations- und Betriebserfahrungen geschildert werden mit dem Vorschlag, meinen Besuch wegen Durchsicht der dortigen Konstruktionszeichnungen noch zu verschieben, um alle Erfahrungen erst voll und ganz zu besitzen. Der Schluß dieses Briefes lautet: „Summa summarum werden wir gegen Ende Januar 1897 einen vollständig reifen, schönen und ökonomischen Motor haben, mit welchem sicherlich der Sieg unser ist.“

Es wurden demnach an dieser Maschine systematisch und gründlich alle Einzelheiten der Konstruktion, Fabrikation und Montage festgestellt, alle Teile der Maschine kontrolliert und wo nötig korrigiert und so feste Unterlagen für die beginnende Fabrikation gewonnen.

Der Erfolg war, daß anfangs Dezember 1896 die Maschine bei ihrer ersten Ingang­setzung auch sofort tadellos lief und große richtige Diagramme ergab.

12. Januar 1897. Bremsversuch bei voller Vorkompression, Regulierung von Hand am Überlaufventil der Petroleumpumpe (Fig. 35).

Versuchsresultate bei voller Leistung:

therm. Wirkungsgrad  . . . . . . . . . . . . . . . 24 %

mech. Wirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . 65 %

wirtschaftl. Wirkungsgrad  . . . . . . . . .  15,7 %

Petroleumverbrauch pro PSi-Stunde  . 260 g,

Petroleumverbrauch pro PSe-Stunde . 396 g. [71]

Da noch ein gewisser Hang zu Rußbildung besteht, Einsatz eines Zerstäubers in die Düse nach Fig. 36.

 

 

Dieses Mal wird aber der Zerstäuber ganz unten in die Düse eingebaut, der kleine Petroleumkanal führt den Brennstoff über diesen Zerstäuber, so daß er beim Einblasen durch den Zerstäuber hindurch getrieben und aufs feinste zerstäubt wird.

Der Zerstäuber selbst besteht aus 2 horizontalen Scheiben, welche im Kreise mit einer Anzahl feiner Löcher durchbohrt sind, und zwischen welchen feines Drahtgewebe aufgewickelt oder in ausgestanzten Ringen aufgereiht ist.

Messung des Fassungsvermögens diverser Drahtgewebe per Quadratzentimeter Fläche. Journal: „Zunächst zeigt jetzt der Auspuff einen total anderen Charakter. Er ist bei kleinen und mittleren Diagrammen unsichtbar, bei großen Diagrammen weißlich, dampfartig, kaum gefärbt.“ Wirkung des Zerstäubers in der Düse großer Fortschritt, Diagramm 8 kg bei vollständig unsichtbarem Auspuff, was wir bisher überhaupt noch nicht erreicht hatten.

28. Januar 1897. Bremsversuch ohne Vorkompression bei Regulierung von Hand „außerordentlich gute Resultate“.

29. Januar 1897. Bericht an Krupp, enthält alle Versuchsdaten, nämlich:

 

 

bei

voller

Leistung

bei

halber

Leistung

therm. Wirkungsgrad

31,9 %

38,4 %

mech. Wirkungsgrad

75,6 %

61,5 %

wirtschl. Wirkungsgrad

24,2 %

23,6 %

Brennstoffverbrauch pro PSi-Std

195 g

162 g

Brennstoffverbrauch pro PSe-Std

258 g

264 g

 

Dieser Versuch, verglichen mit dem vorhergehenden vom 12. Januar, entscheidet sogleich die Frage der Wirkung der Vorkompression; sie ist ungemein schädlich und wird daher von jetzt ab verlassen werden. Damit entsteht der normale Viertaktmotor mit direkter Ansaugung aus der Atmosphäre, wie er heute noch allein gebräuchlich ist.

Versuch, ohne Einblaseflasche zu arbeiten, d. h. Anlaß- und Einblaseflasche zu vereinigen, geht sehr gut. Es genügt eine einzige Umdrehung mit Anlaßluft, worauf sogleich Überspringen auf Brennstoffbetrieb stattfindet. Diese erste Maschine lief von da ab, und zwar mehrere Jahre lang, überhaupt nicht mehr anders; aus praktischen und Sicherheitsgründen hat man aber später bei den verkauften Maschinen davon abgesehen und Anlaß- und Einblaseflasche wieder getrennt. Journal: „Der Motor ist, so wie er abgestellt ist, ohne weiteres zum nächsten Anlassen bereit, ohne jede Vorbereitung.“

Die Regulierung der Petroleumpumpe durch Überlauf ist prinzipiell unrichtig. Journal: „Bei einer bestimmten Stellung des Regulierventils sollte die in die Maschine geförderte Menge konstant sein, gleichgültig, ob die Maschine schnell oder langsam geht.“ Diese Bedingung erfüllt die jetzige Regulierung nicht, weil sie bei abnehmender Geschwindigkeit der Maschine, also bei längerer Auslaufzeit, durch den gleichen Querschnitt mehr auslaufen läßt als bei schnellerem Gang.

Diskussion der zwei Möglichkeiten:

1. variabler Pumpenhub. Wird nach früheren Erfahrungen als zu schwierig befunden und verworfen;

2. völliger Abschluß des Überlaufventils an variablen Stellen.

 

 

Letzteres wird ausgeführt nach Fig. 37. Der völlige Abschluß des Überlaufventils an verschiedenen Stellen wird dabei mittels eines Keiles bewirkt, der unter dem Einfluß des Regulators steht. Journal: „Diese Regulierung erweist sich als ungemein präzise und ist mittels des Keiles auf einfachste Weise erreichbar.“ Genaue Messungen der Fördermengen und graphische Tabellen dazu.

Im Laboratorium werden die Einrichtungen für Heizwertbestimmungen von Brennstoffen getroffen, und zwar mit Junkers Kalorimeter; für letzteren muß jedoch durch viele Versuche erst ein Brenner für flüssige Brennstoffe konstruiert werden, weil dieser Apparat damals nur für Gasversuche verkauft und gebraucht wurde, und weil die Verbrennung schwerer Oele in Lampen sehr schwierig ist.

Jetzt beginnen die Besuche von Interessenten und Sachverständigen. Als Erster trifft am 1. Februar 1897 Herr Dyckhoff aus Frankreich ein. Die vor ihm gemachten Bremsversuche ergeben noch bessere Resultate als am 28. Januar, nämlich einen wirtschaftlichen Wirkungsgrad von 26,6 %. Journal: „Das ist soviel, als die allerbesten Gasmotoren unter besonders günstigen Umständen als thermischen Wirkungsgrad erreicht haben (Crossley) bei Benutzung von Leuchtgas.“ [73]

Petroleumkonsum 234 gr pro PSe.

Thermischer Wirkungsgrad 34–38 % .

Spezifische Leistung 177 PS, das ist doppelt soviel wie andere Maschinen. [74]

Journal: „Mit diesen Resultaten kann sich kein bestehender Motor mehr messen.“

„Innere Besichtigung, alles in schönster Ordnung, kein Anflug von Ölkohle und dergl. Brenner noch ganz gut, alle Löcher ganz offen.“

4./5. Februar 1897. Bremsversuch vor Herrn Gillhausen aus Essen und den Delegierten der Gasmotorenfabrik Deutz: den Herren Direktor Schümm und Ingenieur C. Stein. Resultat identisch mit den Versuchen vom 1. Februar. Journal: „Was im Protokoll nicht steht, ist, daß die Deutzer Herren den Motor in alle möglichen ungünstigen Situationen brachten, bei welchen andere Motoren gewöhnlich den Dienst versagen, daß der Dieselmotor jedoch alle Proben siegreich bestanden hat. Insbesondere wurde ein Leistungs- und Bremsversuch, beginnend mit ganz kalter Maschine, gemacht, also in ganz abnormalen Verhältnissen. Ferner wurde die Bremslast plötzlich von Volleistung auf 0 entlastet und wieder auf Voll, ohne daß man nur eine Änderung der Geschwindigkeit des Motors bemerken konnte. Man arbeitete mit Austrittstemperaturen des Kühlwassers bis auf 17° C herunter. Die Brennstoffzufuhr wurde oft mitten im Betrieb plötzlich abgesperrt, dann wieder geöffnet, nichts konnte den ruhigen, gleichmäßigen Gang des Motors beeinflussen und zuletzt wurde anerkannt, daß der Motor nicht nur als vollkommen konstruktiv entwickelt anzusehen sei, sondern daß er gegenüber den Explosionsmotoren selbst mit Gasbetrieb einen Fortschritt von ca 50 % an Brennstoffkonsum und Zylinderdimensionen bedeute; ferner wurde der ungeheure Vorteil des in seiner Fläche regulierbaren Diagramms anerkannt“, usw.

Auf Grund dieser Versuche begannen Lizenzverhandlungen, die am 19. Juli 1897 zur Unterzeichnung eines Vertrages zwischen Deutz und dem Konsortium Maschinenfabrik Augsburg-Krupp führten. Eine Reihe anderer Lizenzverträge in Deutschland folgte dann in kurzen Pausen aufeinander.

12./13. Februar. Bremsversuch vor Gebrüder Sulzer. Anwesend die Herren: Sulzer-Imhoof, Sulzer-Schmidt, Ingenieur Eric Brown. Gleiche Ergebnisse.

 

 

Die Fig. 39 zeigt die Versuchsanlage ungefähr so, wie sie zur Zeit dieser Versuche eingerichtet war.

 

 

17. Februar 1897. Professor Schröters offizieller Versuch. Fig. 38 ist eine Photographie der Maschine genau in dem Zustande, wie sie zu diesen Versuchen benutzt wurde, insbesondere mit der auf dem Schwungrade aufliegenden Bremse. Die Resultate waren ungefähr dieselben, wie oben mehrfach erwähnt. Nr. 36–39 sind vier charakteristische Diagramme dieser Versuche, und zwar: Nr. 36 Regulierdiagramm, Nr. 37 volle Leistung, Nr. 38 halbe Leistung, Nr. 39 Luftpumpe. [75]

Aus dem Berichte Schröters an das Konsortium Krupp-Augsburg seien hier einige Stellen angeführt:

„Nach dem Gesamtergebnis der Versuche und nach den beim Betrieb des .Motors gemachten Wahrnehmungen kann ich das Urteil über denselben dahin [76] [77] zusammenfassen, daß derselbe schon in seiner derzeitigen, noch nicht alle Vorteile realisierenden Ausführung als Einzylinder-Viertaktmotor an der Spitze aller Wärmemotoren steht, insofern er bei einer Effektivleistung von 18–20 PS pro effektive Pferdestärke und Stunde bei normaler Tourenzahl rund 0,24 kg Petroleum verbraucht, entsprechend einer Umsetzung von 26,2 % des Heizwertes in effektive Arbeit, während bei halber Belastung die betr. Zahlen 0,277 kg bzw. 22,5 % erreichen. Der mechanische Wirkungsgrad bei voller Leistung ist 75 %; der Prozentsatz der in indizierte Arbeit verwandelten Wärme im Verhältnis zur disponiblen Wärme ist bei Vollbelastung 34,2, bei halber Belastung 38,4 %. Die ungemein einfache Lösung der Frage der Regulierung gestattet eine Veränderung der Belastung in beliebigen Grenzen, mit ähnlich kleinen Abstufungen, wie sie die Dampfmaschine aufweist, deren so schätzenswerte Elastizität in der Beanspruchung der Motor im vollen Maße besitzt. Daß derselbe schon in der vorliegenden Gestalt eine durchaus marktfähige Maschine darstellt, beweist der ganze Habitus und Gang des Motors, an dem die erstaunliche Leichtigkeit des Anlassens aus ganz kaltem Zustande usw. noch besonders hervorzuheben ist. Als eine hervorragend glückliche Lösung einer so schwierigen Frage muß die Art und Weise der Brennstoffzufuhr mittels Einblasen unter Luftdruck bezeichnet werden, wie denn überhaupt die Ausbildung der Details von ebenso großer Sachkenntnis wie Sorgfalt und konstruktivem Geschick zeugt.“

Professor Schröter hat über diese Versuche auf der Kasseler Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure am 16. Juni 1897 Bericht erstattet 1).

Es wird hier auf diese Veröffentlichung verwiesen. Nur einige Sätze aus derselben sollen in Erinnerung gebracht werden: „daß wir es hier mit einer durchaus marktfähigen, in allen Einzelheiten vollkommen durchgearbeiteten Maschine zu tun haben; ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Motor sich als Ausgangspunkt einer der Industrie zum Segen gereichenden Entwicklung bewähren möge.“

Es ist mir ein Bedürfnis, hier zu erklären, daß Herr Professor Schröter den seltenen Mut gehabt hatte, bloß auf Grund meiner theoretischen Broschüre und unseres mündlichen Gedankenaustausches öffentlich für die Richtigkeit der erfinderischen Grundgedanken des neuen Arbeitsverfahrens einzutreten zu einer Zeit, da es noch nicht verwirklicht war. Es war mir daher eine große Genugtuung, daß gerade er in wissenschaftlich einwandfreier Weise auch den Erfolg [78] verkünden konnte. Ihm gebührt meine Dankbarkeit im gleichen Maße wie den industriellen Förderern der Sache.

Dieser Versuchsmotor wurde später im Deutschen Museum in München genau in dem Zustand aufgestellt, in welchem Professor Schröter seine offiziellen Versuche damit machte (vgl. Fig. 38). Die Vorgänger dieses Motors und die zahllosen Versuchsobjekte, die sich im Laufe der Jahre zu einer großen Sammlung angehäuft hatten, sind nicht aufbewahrt worden.

Das Laboratorium hatte demnach in ungefähr fünfjähriger Tätigkeit seine Aufgabe gelöst, die Erfindungsgedanken zu verkörpern und die grundlegenden Gesetze und typischen Konstruktionsformen des Dieselmotorbaues so festzulegen, daß die Fabriken den Bau der Maschinen aufnehmen konnten (vgl. S. 00).

Die Aufgabe des Erfinders war damit erfüllt.

Nun hatte die Arbeit des Fabrikanten einzusetzen, d. h. die Ausbildung der Fabrikationsmethoden, die Vereinheitlichung der konstruktiven Formen mit Rücksicht auf die Serienfabrikation und damit die Herabsetzung der Herstellungspreise, ferner die allmähliche Vergrößerung der Dimensionen und die Ausbildung der verschiedensten Motortypen, mit einem Wort, die „Entwicklung“ der Erfindung. Diese Aufgaben können nicht mehr von einem Einzelnen in stiller Laboratoriumsarbeit gelöst werden, sondern nur von den Fabriken selbst in ihrem lebendigen Werkstattbetrieb und unter dem fortwährenden Druck der Bedürfnisse der Praxis und der jahrelangen Betriebs­erfahrungen.

Selbstverständlich war die Fabrik, in deren Hallen die Maschine entstanden war, deren Personal vom Konstrukteur bis zum Meister und Arbeiter jahrelang alle Zwischenfälle und Schwierigkeiten mit erlebt und mit überwunden hatte, für diese Aufgabe die geeignetste. Deshalb blieb die Maschinenfabrik Augsburg – die sich später mit Nürnberg vereinigte – die klassische Erbauerin des Dieselmotors und die Führerin in der Entwicklung. Dort war die hohe Schule, wo sich alle später Gekommenen Rat und Hilfe holten. Dasselbe war der Fall mit der Firma Fried. Krupp, als später die Marinemaschine zu Bedeutung gelangte, insbesondere für alle Größen und Formen von Schiffs-Dieselmotoren.

Die ganze Entwicklung ist, obgleich sich später zahlreiche Auslandsfirmen auch daran beteiligten, ganz und gar deutschen Ursprungs. Ich habe schon oft Gelegenheit genommen, den beiden Firmen: Maschinenfabrik Augsburg und Fried. Krupp öffentlich meinen Dank auszusprechen; ein historischer Überblick wäre unvollständig, wenn die außerordent­lichen Verdienste dieser beiden Firmen darin nicht nochmals ausdrücklich hervorgehoben würden. Diese bestanden einerseits in der opferwilligen Hergabe der Mittel, in dem unbeirrten [79] Durchhalten durch fast unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten während der Schöpfungszeit der Maschine und nach dieser Zeit in der ausgezeichneten Werkstattausführung und der vorzüglichen Entwicklung der Maschine, d. h. der konstruktiven Durchbildung aller Motorgrößen und Motorformen für die verschiedensten Anwendungsgebiete, wodurch diese beiden Firmen allen anderen als Schule und Vorbild dienten.

Hinter den Firmen stehen aber die Männer. Als ich diesen meine Vorschläge machte, hatte ich nur eine Theorie, praktisch war noch nichts geschehen; ich hatte nichts zu bieten als den unerschütterlichen Glauben an die Richtigkeit und Ausführbarkeit der erfinderischen Grundideen, und es war das Verdienst der Herren Heinrich Buz und Lucian Vogel in Augsburg und der Herren Fried. Alfr. Krupp, Asthöwer, Albert Schmitz, Klüpfel und Gillhausen in Essen, daß sie die Möglichkeit einer besseren Ausnutzung unserer Brennstoffe erkannten, dafür eintraten, unbeugsam daran festhielten und keine Opfer scheuten, die Maschine durch alle Schwierigkeiten hindurch in die Praxis einzuführen.

Ich habe absichtlich mein Thema auf die „Entstehung“ des Dieselmotors beschränkt. Die Fortsetzung, also die „Entwicklung“ des Motors zu schildern, wäre ein Stück Geschichte des modernen Maschinenbaues, auf das einzutreten ich mir in dieser Schrift leider versagen muß. Ich kann nicht einmal damit anfangen, hier Namen zu nennen, weil deren zu viele sind und weil nur ein umfangreiches Sonderwerk dem enormen Geistesaufwand und konstruktiven Können, die der Entwicklung der Maschine gewidmet wurden, gerecht werden kann.

An dieser Stelle muß ich mich damit begnügen, der Verdienste dieser zahlreichen Mitarbeiter in corpore in dankbarer Bescheidenheit zu gedenken.

 

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In den folgenden Seiten soll nur noch kurz über die Einführung des Motors in die Praxis und die damit verbundenen Betriebserfahrungen und über einige nach den offiziellen Augsburger Versuchen noch durchgeführte Laboratoriumsarbeiten berichtet werden.

 

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1) S. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1897. S. 845. Diesels rationeller Wärmemotor. Zwei Vorträge von Rudolf Diesel und M. Schröter.