BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Irmgard Bock

* 1937

 

„So kommen auch Frauen

schon auf die verrückte Idee,

Hochschullehrer zu werden.“

 

Frauen in den Fächern

Psychologie und Pädagogik,

am Beispiel der LMU München

 

2003

 

____________________________________________________________________________________

 

 

 

2.

Studierende

 

Anlaß dieser Veranstaltung ist, daß das Studium für Frauen seit 1903 generell möglich war (Vgl. MinBl 29 vom 1. Okt. 1903) – wenn sie eine anerkannte Vorbildung nachweisen konnten. Das war aber nicht selbstverständlich, denn der Besuch eines Gymnasiums war ihnen ja nicht gestattet. 1) Sie konnten aber das Abitur durch eine externe Prüfung an einem Jungengymnasium erwerben. Erst mit der Gründung des ersten humanistischen Gymnasiums für Mädchen in Karlsruhe (1893), dessen erste Abiturientinnen 1899 die Schule verließen, den an verschiedenen Orten eingerichteten Gymnasialkursen für Mädchen (Boehm 1958, 312, Anm. 37) und in München der Anerkennung des Abschlusses der städtischen Luisenschule als ausreichend für ein Studium, vermehrte sich langsam die Zahl derer, die die Voraussetzungen für ein Studium hatten und die Universitäten mit Anträgen „belästigten“, es auch beginnen zu können. So gab es schon vor der generellen Zulassung von Studentinnen in München Mädchen – vor allem Medizinerinnen und Naturwissenschaftlerinnen (letztere studierten an der philo­sophischen Fakultät und gehören somit zu dem Kreis der uns interessierenden Personen) –, die aufgrund einer Sondererlaubnis ein Studium aufnehmen konnten. Es handelte sich oft um Ausländerinnen und vor allem um Frauen, die ihre wissenschaftliche Befähigung schon nachgewiesen hatten (vgl. Boehm 1958, 320f.). Bei diesem Zulassungsverfahren kristallisierte sich heraus, daß Rektorat und Ministerium ihre Zustimmung erteilen mußten, daß letztlich aber der Dozent, bei dem gehört werden sollte, den Ausschlag gab, ob er Frauen zu seinen Veranstaltungen zuließ oder nicht. Das bedeutet aber auch, daß viele der Frauen den Stand von Gasthörerinnen hatten, die kaum ein reguläres Studium absolvieren konnten. So muß eigentlich zwischen Studentinnen und Hörerinnen unterschieden werden. (vgl. Böhm 1958, 321/2) Daß die Aufnahme von Frauen aber nicht grundsätzlich begrüßt wurde, ist bekannt. Man kann das auch an einer kleinen Besonderheit ablesen, die sicher kein Zufall ist. Die alten Vorlesungsverzeichnisse enthielten ein Personenstandsregister, das auf die Studierenden ausgedehnt wurde. Ursprünglich mit „Verzeichnis der Studierenden überschrieben“, wurde der Titel von 1905 – 1911 in „Verzeichnis der Herren Studierenden“ umgeändert.

Schon im WS 1905/6 waren von den 1127 Studierenden der Philosophischen Fakultät, Sektion I, 16 weiblich, eine Zahl, die kontinuierlich stieg. Im WS 1913/14, also 10 Jahre nach der Zulassung von Frauen zum Studium lag ihr Anteil bei 160 von insgesamt 1643 Studierenden dieser Fakultät. Prozentual besonders hoch ist ihr Anteil während des ersten Weltkrieges, um sich dann bei ca. 1/4 einzupendeln. Ab 1932 vergrößert sich der Frauenanteil noch einmal.. Daß in den Jahren des ersten Weltkriegs der Anteil an Frauen über 50% bei generell zurückgehenden Studentenzahlen ausmacht, wird kaum verwun­dern, daß aber zu Beginn der Naziherrschaft ihre Zahl doch verhältnismäßig hoch ist, macht deutlich, daß die so oft und auch mit Recht kolportierte Behauptung, die Nazis hätten für die Frau die Bereiche Ehe und Mutterschaft vorbehalten gehabt, gemessen an der Realität weiter ausdifferenziert werden muß. (Vgl. Huerkamp 1996, 331ff.) Auf Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen. Nur zur Erinnerung: Ab 1933 wurden nur 10% Frauen zum Studium zugelassen: zugleich trat das Gesetz gegen Doppelverdienertum in Kraft; 1934 erfolgte Streichung der Kassenzulassung für verheiratete Ärztinnen und der Möglichkeit Staats- und Rechtsanwältin zu werden; 1935 wurde der halbjährige Arbeits­dienst eingeführt; 1938 erfolgte die Reduzierung des Lateinunterrichts an Mädchen­schulen, womit der Zugang zum Studium erschwert wurde; 1936/7 wurde festgelegt: „Studentinnen werden in den Studienfächern gefördert, deren Berufsziel Frauen zugänglich ist, und in dem Ausmaß, wie es dem Anteil der Frau an den akademischen Berufsplätzen entspricht.“ (Amtl. Münchner Hochschulführer 1936/7) Aber seit 1938 gab es dann eine Ermutigung von Frauen zum Studium, u.a. weil sich in Partei und Militär neue Karrierechancen für Männer ergaben, was zu einem Mangel in bestimmten akademischen Berufen führte und ab 1940 die Zahlen der weiblichen Studierenden wieder steigen ließ.

Direkt nach dem Krieg ging die Zahl stark zurück; 1949/50 gab es nur 12,2 % Studentinnen; stieg dann wieder auf ca. 1/3, um sich zu Beginn der sechziger Jahre den 50 % zu nähern, die 1966/7 erstmals überschritten wurde, um dann wieder auf etwas weniger als die Hälfte zurückzufallen. (Vgl. Geiger [1989], 28 ). Heute sind mehr als 50% der Erstsemester Frauen.

Die Studierenden genau den Fächern zuzuordnen ist schwierig, weil im allgemeinen die Fakultät angegeben ist, in der sie studierten. Nur kurz vor dem ersten Weltkrieg, wurden gelegentlich die Studienfächer aufgeführt, aber auch das nicht konsequent. So taucht im Sommer-Semester 1915 ein Student der Psychologie, Richard Zoellner aus Metz, auf, der dann aber auch wieder der Philosophischen Fakultät zugeordnet wird.

Wenn wir die Entwicklung in unseren Fächern betrachten, für die ich die Zahlen seit der Gründung des Fachbereichs 11 vergleichen möchte, ist festzuhalten: daß der Anteil der Studentinnen an der Gesamtfakultät bei der Auflösung des FB 21 schon 55,7% betrug, um dann mit kleinen Schwankungen bis heute auf 79,3% anzusteigen.

Ich will Sie nicht mit Zahlen überschütten, deshalb habe ich etwas zusammengefaßt und auch die Nebenfachstudierenden ausgelassen: In der Pädagogik beträgt der Frauen­anteil im Magisterstudiengang heute ca. 82%, im Promotionsstudiengang 66,6%.; ein Lehramt studieren insgesamt ca. 70% Frauen; Studierende für das Lehramt an Grund­schulen sind zu 95,7% weiblich, für das Lehramt an Hauptschulen immerhin noch mehr als 65%. Bei den Beratungslehrern beträgt der Anteil 69,7%; bei den Schulpsychologen 76,5%. Bei den Sonderpädagogischen Fachrichtungen sind 81.6% der Studierenden, die ein Lehramt anstreben, 92,5% derer, die den Magister erwerben wollen und 90 % der Promovenden Frauen. Und auch bei den Psychologiestudenten sind 81,5 % derer, die das Diplom erwerben wollen und 62% der Promovenden weiblichen Geschlechts. Man muß also davon ausgehen, daß für die Fächer, die an unserer Fakultät gelehrt werden, genügend weiblichen Nachwuchs herangebildet wird. (Zahlen nach Angaben des Planungsstabs der Universität München).

 

――――――――

 

1) Von daher ist die Entwicklung des Schulwesens von ausschlaggebender Bedeutung.