BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Emma Herwegh

1817 - 1904

 

Zur Geschichte der deutschen

demokratischen Legion aus Paris

 

1849

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

[Zweite Reise Emmas zu Hecker.]

 

Der 16. und 17. April waren jetzt auch verstrichen, ohne daß die verheißenen Depeschen oder irgend ein Lebenszeichen der verschie­denen Corps bis zu uns gedrungen wäre. Wo Hecker sich aufhielt, wußte Niemand, geschweige das Schicksal der Insurgenten. – Als der Morgen des 18ten auch Nichts brachte, und die verschiedenen Sektionen versammelt waren, um ihre militairischen Uebungen zu machen und für den Fall eines nahen Abmarsches sich ihren General und die übrigen Chefs zu wählen (denn die bisherigen Führer waren nur provisorisch ernannt), ging ein dumpfes Murren durch's Lager.

Herwegh, der die Ursache dieser Unzufriedenheit wohl erkannte, und trotz des ewigen Treibens von allen Seiten, sich nicht hatte irre machen lassen, und keine Sekunde den klaren [28] Blick über unsere Lage und das wahre Ziel unseres Wirkens aus den Augen verloren hatte, trat unter sie. Er fühlte, daß es an der Zeit, ihnen noch einmal klar und energisch auszusprechen, was sie in und seit Paris unzählige Mal von ihm gehört, aber eben so oft vergessen hatten, daß es auf ein bloßes Sichschlagen nicht nur nicht ankomme, sondern daß er dagegen im Namen der Freiheit laut protestire, und ein Fall eintreten könne, wo der Legion Nichts übrig bleibe – als sich aufzulösen. Wer dann von Euch mehr Lust hat, nach Schleswig-Holstein zu ziehen, oder für eine polnische Republik mitzukämpfen als friedlich in seine Heimat zurückzukehren, der mag es thun. Ihr seid freiwillig eingetreten, und seid eben so frei, die Legion zu verlassen, wenn Ihr wollt. Vereinzelt, so viel ist Euch Allen klar, können wir Nichts unternehmen, und hatten dies nie im Sinne. – Als wir Paris verließen, standen die Sachen in ganz Deutschland so, daß wir glauben mußten, es bedürfe nur eines kleinen Anstoßes, um die Revolution zum vollen Ausbruch zu bringen. Wir konnten nicht wissen, daß die rote Flamme, welche uns aus dem Vaterland entgegenleuchtete, Nichts als der Wiederschein des großen Weltbrandes war, den Frankreich angezündet. Unsere einzige Hoffnung in diesem Augenblick ist die Insurrektion im Seekreis, schreitet sie vorwärts, und können wir uns möglichst bald ihr anschließen – desto besser – scheitert sie, dann bleibt auch uns keine Wahl, um so weniger, da unsere materiellen Mittel zu Ende gehen, und man uns hier schwerlich noch lange und in so großer Anzahl verköstigen wird.

Nachdem die Versammlung sich getrennt hatte, und wir mit mehreren Herren vom Comité um den Mittagstisch sitzen, stürzt Delaporte, einer unserer tapfersten und feurigsten Offiziere athemlos zur Thür herein.

Nun, was giebt's? schrieen Alle aus einer Kehle.

Was es giebt? wir müssen noch heute aufbrechen. Eben ist auf der Kehler Brücke ein Mann arretirt worden, der mir im Augenblick, wo er mich sah und man ihn fortschleppte, noch mit lauter Stimme zurief: „Sagt Herwegh, daß er schnell mit den Deutschen kommen soll, Hecker steht bereits vor Freiburg und erwartet ihn.“ Sie sehen, meine Herren, wir haben keine Zeit zu verlieren.

Das Alles ist nicht unmöglich, erwiederte Herwegh, aber auf diese eine Nachricht hin, kann man nicht marschiren lassen.

Aber um's Himmels Willen, ich hab's ja mit meine eigenen Ohren gehört. – Das zweifle ich nicht, mein lieber Freund, aber Wer steht uns dafür, daß dies keine Falle ist? [29]

Meine Herren vom Comité, was halten Sie davon?

Wir sind Ihrer Meinung, daß man das Schicksal so Vieler nicht leichtsinnig auf's Spiel setzen darf. Wir müssen erst genau wissen, wie es steht, zumal jetzt, wo es von falschen Gerüchten wimmelt. Lassen wir das ganze Comité schnell zusammenrufen, um gemeinsam beraten zu können, was zu thun.

Es verstrich keine Viertelstunde, so war die Sitzung eröffnet, und sämmtliche Mitglieder waren einverstanden, daß Einer von uns auf der Stelle nach Freiburg fahren müsse.

Aber Wen schicken wir nun? Freiburg und die ganze Umgegend bis in's Höllenthal sollen mit Truppen besetzt sein. – Mich, meine Herren, wenn's dem Präsidenten Recht ist, und Sie mir die Botschaft anver­trauen wollen. Von Ihnen kommt Keiner durch, Sie würden festgehalten und dürfen jetzt Ihre Posten weniger als je verlassen. Mich, lässt man überall passiren. Alle waren's wohl zufrieden, und so saß ich eine halbe Stunde später auf der Eisenbahn.

Kaum halben Wegs gefahren, wußte ich auch schon, durch einen Hecker'schen Emissair, der zufällig mit mir allein im selben Waggon saß, daß an der Kehler Geschichte kein wahres Wort und sie Nichts Anderes wahr, als wofür Herwegh sie gleich gehalten, – eine Falle. Den gegenwärtigen Aufenthalt Heckers konnte mir sein eigener Botschafter nicht genau sagen, denn er hatte ihn vor 24 Stunden verlassen und das ist in solchen Zeiten eine kleine Ewigkeit.

Aber wo werd' ich ihn in Freiburg am Schnellsten erfragen?

In der Turnerkneipe, und wenn's Ihnen Recht ist, gehe ich gleich von der Eisenbahn aus dorthin und bringe Ihnen dann den Bescheid in Ihren Gasthof. Wo werden Sie absteigen, Madame?

Wenn's gut geht, nirgend. Ich möchte gleich weiter, drum ist's das Beste, mein Herr, ich begleite Sie. Solcher Aufträge muss man sich ohnehin selbst entledigen.

Wie Sie wünschen.

Als wir ankamen war die Kneipe leer.

Wo sind die Turner? fragte mein Begleiter den Wirt.

Sie exerciren auf dem Carlsplatz, dort finden Sie Alle beisammen.

So war es.

Als ich das ganze jugendliche Heer in voller Kriegsübung beisammen sah, wurde ich seelensfroh und dachte bei mir: mit Denen und mit den Unsern läßt sich die Welt erobern. [30]

Ihr Anführer, ein Amerikaner, H. v. L. kam mir entgegen, um zu wissen was ich begehre. Als er meinen Namen und meine Mission erfahren, ließ er gleich einen seiner Freunde Namens Sch. rufen, der erst am vorigen Abend von Hecker zurückgekommen war, und mir die beste Auskunft geben konnte. Es ist derselbe, welcher, so viel ich mich entsinne, bei dem Gefecht in Freiburg an der Spitze der Sensenmänner (200 an der Zahl, meistens Arbeiter) stand, sich durch seinen Mut auszeichnete, deshalb des Hochverrats und später noch des Landesverrats beschuldigt wurde, weil er mit der Landesverräterin Herwegh nach Kandern gefahren war. Leider wußte er nichts Bestimmtes, und so musste ich mich denn entschließen, in Freiburg zu übernachten, hoffend, daß der nächste Tag Rat schaffen werde, der auch nicht ausblieb. Bis morgen früh um halb sieben, so sagten mir die beiden jungen Herren, soll Ihr Reiseplan angefertigt und ein Begleiter für Sie bereit sein, denn wir lassen Sie nicht allein weiterreisen. Die Truppen stehen rings herum, und Sie könnten leicht angehalten werden. Ihre Ritterlichkeit ließ es jedoch dabei nicht bewenden. In der Befürchtung, die Polizei könne von meiner Anwesenheit unterrichtet, mich irgendwie behelligen, hielten mehrere Turner ohne mein Wissen während der ganzen Nacht Wache unter meinem Fenster. Das war gewiß liebenswürdig, und von Deutschen, bei denen die Chevallerie sonst nicht vorzugsweise entwickelt ist, so angenehm überraschend, daß ich mich noch im gegenwärtigen Augenblick daran freue und ihnen im Stillen dafür danke. – Diese Fürsorge war, wie ich später erfuhr, übrigens nicht überflüssig gewesen, und eine kleine Geschichte, die ich hier einschalten will, wird dem Leser am besten sagen, wie weit es die Polizei schon damals in ihren lächerlichen Verfolgungen trieb.

Als man mir sagte, daß ich in Freiburg übernachten müsse, konnte ich dem Verlangen nicht wiederstehen, eine Freundin aufzusuchen, die dort wohnt, mir sehr, sehr lieb ist, und ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Unter Begleitung eines Turners, erreiche ich endlich, nach vielem Suchen, ihr Haus. Mein Besuch war so kurz, so überraschend für sie, daß wir vor lauter Stoff zum Reden kaum den Mund aufthaten und uns wenig mehr sagten, als: Guten Tag, und leb' wohl! Dem Polizeispion, der mir, wie ich nachträglich erfuhr, auf Schritt und Tritt bis vor die Stubenthür gefolgt war, gefiel unser Schweigen nicht, – eiligst macht er seinen Bericht und 24 Stunden später erhält meine Freundin auch schon eine Vorladung. Sie ahnt nicht weshalb, stellt sich jedoch ein, und wird 12 volle Stunden [31] in Arrest gehalten – und auf welchen Grund hin? weil sie mich während 10 Minuten in ihrem Hause aufgenommen hat, und folglich auch mit den Rebellen im Einverständniß steht. – Wie es ihr gelungen, sich genügend zu legitimiren, weiß ich nicht.

Und wohin geht unser Weg, Herr Sch.? Denn der war es, der sich zur bestimmten Stunde an der Eisenbahn eingefunden hatte, mich zu Hecker zu geleiten.

Nach Mühlheim, Frau Herwegh, dort werden wir ihn zwar nicht finden, aber vermutlich in der Umgegend. Wir müssen ihn aber suchen.

Als wir in dem kleinen Nest ankommen, weiß man uns Nichts zu sagen. Zwei Schwarzwälder Bauern, die ebenfalls zu Hecker wollten, waren grad so klug wie wir. In dieser Ungewißheit ging's den ganzen Tag, bei dem tüchtigsten Regenwetter, die noch beschneiten Gebirgs­pfade entlang. Zu Esel, zu Fuß, zu Pferd, kurz auf alle mögliche Art. Endlich gegen 8 Uhr Abends halten wir auf einem kleinen, offenen Bretterwagen unsern Einzug vor dem Löwen (?) in Zell.

Herr Wirt, wissen Sie wo Hecker ist, fragt Herr Sch. Er soll in Lörrach oder in Kandern sein, am Sichersten ist's, sie fahren zuerst nach L., das liegt Mitte Wegs.

Wie weit ist das von hier?

Drei kleine Stunden; zu fahren 1 1/2.

So geben Sie uns gefälligst ein Fuhrwerk.

Wieder changement de décoration und weiter. Als wir in L. ankommen, ist die ganze Stadt auf den Beinen. Mitten auf dem Damme stehen Rotten von Bürgern, die lebhaft mit einander sprechen. Die Leute gefielen mir aber nicht, sie hatten Alle so was Heimtückisches.

Weiß Niemand wo Hecker ist, fragte Sch.; man sagte uns, daß er, wenn nicht hier, in Kandern sein Quartier aufgeschlagen.

Da ist er nicht, fielen sie hastig ein, er ist in St. Dieser Antwort, der ich, ich weiß selbst nicht woran, die Unehrlichkeit anmerkte, schloß ich, daß er doch in Kandern war, und bat meinen Begleiter, uns dorthin zuerst führen zu lassen. Satz!!!

Ich hatte mich nicht getäuscht. Schon eine halbe Stunde weit blitzten uns die Wachtfeuer entgegen, überall waren Posten ausgestellt. Unser Wagen wurde angehalten, und erst nach genauer Inspektion, unter bewaffneter Begleitung in's Hauptquartier geführt.

Dies war die Nacht vor dem Gefecht, in dem Gagern fiel.

Als mich Hecker aussteigen sah, rief er aus: Sie sind's, [32] Frau Herwegh? Na, Sie kommen grad recht, wir sitzen in der Mausfalle.

Wie das?

Von allen Seiten zieht sich das Militair zusammen, das wird einen heißen Kampf geben.

Aber das ganze Wiesenthal ist ja noch frei, sagte ich, und dann können Sie sich ja auch noch bis auf weitere Verstärkung auf die Höhen zurückziehen.

Das kann uns nichts helfen, wir müssen vorwärts! und mit diesen Worten führte er mich die Treppe hinauf bis in's Gastzimmer. Da sah's aber köstlich aus, grad wie in Wallensteins Lager. Hier eine Gruppe, dort eine Gruppe, Einige lagen auf dem Boden, Andere saßen im lebhaften Gespräche um Tische, wieder Andere standen gedankenvoll an die Thürpfosten gelehnt. Dazu die vollste Anarchie in Betreff der Kleider und Waffen und was das Schönste war, mir wenigstens am Besten gefiel, trotz des nahen Kampfes, den Jeder vorhersah, die ungetrübteste Heiterkeit und kein einzig Leichenbitter-Gesicht. Mit Hecker war den Abend nicht viel anzufangen; wollte man ihn 5 Minuten auf derselben Stelle fixiren, so schlug er wie eine Flamme in die Höhe und verschwand. Dennoch mußte ich ihn sprechen.

Endlich nahm ich ihn einen Augenblick bei Seite und sagte ihm: Der einzige Grund, weshalb ich Sie zum zweiten Male aufsuche, ist, um Sie nochmals in Herwegh's Namen an Ihr ihm gegebenes Wort zu erinnern, und Sie aufzufordern, ihm unverzüglich den Vereinigungs­punkt zu bestimmen. Ehe mir diese Antwort nicht geworden, kehre ich nicht heim. W. hat weder Ihren Befehl, noch seinem Versprechen wegen der Depeschen Folge geleistet, unsere Mannschaft ist der ewigen Vertröstungen von einem Tage zum andern müde, und nicht mehr zu halten, und die materiellen Mittel sind erschöpft. Es bleiben uns jetzt nur drei Wege, entweder zu verhungern, auseinanderzugehen, oder uns Ihnen in kürzester Frist anzuschließen. Darum bitte ich um eine entschiedene Antwort.

„So sagen Sie Herwegh, rufen könne ich ihn nicht, aber wenn er kommen wolle, und recht bald und in recht großer Anzahl, soll mir's lieb sein. Jene Herren dort, (es waren zwei der Stabsoffiziere M. und B.) werden das Nähere mit Ihnen besprechen.“

So sehr mir Hecker gefiel, so wenig behagte mir sein Bescheid, und ich ließ deshalb meinen Unmut an dem Ersten aus, der mir in den Weg trat. Es war M. [33]

Wollt Ihr wirklich Nichts als eine badische Republik, sagt ich ihm, so mögt Ihr uns getrost ausschließen, denn welcher Mensch kann sich heutiges Tags dafür interessiren. Wollt Ihr aber die Republik für ganz Deutschland, wo möglich für ganz Europa, und betrachtet, – wie wir dies stets von Hecker vorausgesetzt, die badische nur als einen Anfang derselben, mit welchem Recht zögert Ihr da, die Mitwirkung Euerer Brüder und darunter Euerer besten Brüder laut zu begehren? Bedenkt wohl, daß die Männer uns'rer Legion, nur um mit Euch zu kämpfen, die weite Reise unternommen, und daß sie auf den Barrikaden von Paris mitgefochten;

 

Lücke

 

M. der Einer von denen, die der Humor nie verläßt, am wenigsten, wenn alle andere die Köpfe hängen oder ernsthafte Gesichter schneiden, und den der Eifer des weiblichen Emissairs mehr, als es mich damals amüsirte, zu ergötzen schien, lachte auch jetzt statt aller Antwort wol einige Minuten lang harmlos fort. Endlich faßte er sich so weit, um mir folgenden Aufschluß geben zu können:

„Sie müssen Hecker nicht falsch verstehen, Frau Herwegh, er wünscht Nichts mehr, als daß sie Alle so schnell als möglich kommen, aber er ist in einer fatalen Lage, bis jetzt hofft er noch das badische Militair für sich zu gewinnen, gelingt ihm das, dann ist in Baden Alles erreicht, und das übrige Süddeutschland folgt nach. Sie wissen, wie unpopulär Ihre Sache, Dank der vielen lügenhaften Zeitungsberichte, hier geworden, daß die deutschen Arbeiter aus Paris überall als fremde Eindringlinge betrachtet werden. So infam, so abgeschmackt diese Gerüchte sind, sind sie dennoch in's Volk gedrungen, und ein einziger öffentlicher Aufruf an Sie, würde jetzt, wo die Soldaten noch nicht auf unsrer Seite sind, genügen, unser ganzes Unternehmen scheitern zu machen.“

„Dies erklärt das Zögern, rechtfertigt es aber nicht Herr M., und ich werde deshalb nicht eher fortgehen, bis Sie mir genau bestimmt, wann und wo wir mit Ihnen zusammentreffen können.“

„Das sollen Sie auch nicht, Frau Herwegh, denn wir Alle möchten, Sie wären schon da“; und hiemit wurde die Karte vorgeholt, und Folgendes von ihm und zweien seiner Collegen beschlossen: Die deutsche Legion soll sich marschfertig machen, um bis Samstag früh um 10 Uhr in Bansenheim eintreffen zu [34] können, das noch auf französischem Gebiet liegt. Geht's uns bis dahin gut, so stehen wir mit den Freiburger Turnern am diesseitigen Ufer zu Ihrem Empfang bereit und ziehen Alle zusammen in Freiburg ein, wo für jenen Tag um 11 Uhr Morgens eine Volksversammlung angesagt ist. Geht's uns schlecht, so erhält Herwegh Depeschen, die ihm genau den Ort bezeichnen, an welchem wir ihn in kürzester Frist erwarten.

„Ist das fest beschlossen, meine Herren?“

„Ja, Frau Herwegh.“

„Nun, so können Sie auf uns zählen, wir werden pünktlich sein.“ – Im selben Augenblick rief der Wirt zum Nachtessen. Die Gesellschaft ließ sich das nicht zwei Mal sagen, und war kaum eingeladen, auch schon vollzählig um den Tisch.

Schade, die Freude war kurz. Nach etwa 5 Minuten wird plötzlich Generalmarsch geschlagen. Unsere Gabeln, Stühle, Alles fliegt auf den Boden, Jeder greift zu den Waffen und stürzt mit dem Schrei: Verrat! Verrat! zur Thür hinaus; Hecker voran. Wir dachten an nichts Geringeres, als an den heimtückischen Ueberfall einiger Regimenter Hessen. Statt dessen sollte dies Sturmsignal nur die Ankunft zweier einfältiger hessischer Dragoner melden, die sich hineingeschlichen hatten, um zu recognosciren, und die man ohne vielen Lärm einfach hätte arretiren sollen. Wer diesen ingeniösen Befehl damals ertheilt, ist mir heut entfallen und gehört auch nicht zur Sache.

Gegen 2 Uhr Morgens hielt der Wagen vor der Thür, der meinen Begleiter und mich durch die verschiedenen feindlichen Posten zurück nach Freiburg führen sollte.

Also Samstag früh um 10 Uhr in Bansenheim! Viel Glück bis dahin, meine Herren.

Die Hecker'schen Posten waren gewiß 20 Minuten weit ausgestellt. Die Nacht war klar aber kalt und die armen Bursche froren auf ihrer Spreu; dennoch schienen Alle gutes Muts. Bei den Soldaten sah es weniger fröhlich aus. Ein Freiburger Offizier, welcher den ersten badischen Vorposten befehligte und ein Landsmann und Bekannter meines Begleiters war, gab diesem, den er für gut herzoglich hielt, mit weinerlicher Stimme folgenden Auftrag mit auf den Weg: „Sagt nur zu Haus', mich würden sie wol nimmer wiederseh'n, denn ich steh' auf dem allergefährlichsten Posten.“ Dann fragt er ihn noch dies und jenes in Betreff der Truppenanzahl der Insurgenten, wie stark die feindlichen Posten, wie viel schweres Geschüz u. s. w., worauf ihm Sch. auch alle möglichen, nur nicht die wahre Auskunft gab und als Lohn für diese wichtigen Details auch die schriftliche [35] Erlaubniß erhielt, an den übrigen Posten ungehindert vorüberfahren zu dürfen. – Je mehr wir uns Freiburg näherten, desto heller starrte es von Waffen. Ein Regiment sprengte nach dem andern an uns vorbei; bald die hessischen Dragoner mit ihren weiten, weißen Mänteln, bald die Artillerie mit ihrem Geschütz, dann wieder ein Regiment Cavallerie, es nahm aber kein Ende. Jeden Augenblick kam neue Verstärkung, denn die Eisenbahn ruhte während der ganzen Nacht nicht.

Als ich mich um 7 Uhr von meinem lieben, ritterlichen Gefährten in Freiburg trennte, fand ich einen der Unsern, mich nach Straßburg zu begleiten. Es war Herr C., der durch mein langes Ausbleiben ungeduldig, sich selbst auf den Weg gemacht hatte, um Erkundigungen über Hecker einzuziehen, und jetzt, wo er durch mich das Nötige erfuhr, gleich wieder mit zurückkehrte. –

r