BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Rudolf Diesel

1858 - 1913

 

Die Entstehung des Dieselmotors

 

1913

 

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Die Ausführung.

 

Der Zweck des Laboratoriums war die Verkörperung des Gedankens, also die Erforschung der physikalischen und chemischen Erfordernisse des Arbeitsprozesses und der besten Arbeitsbedingungen der Maschine sowie die Durchbildung der typischen, konstruktiven Einzelheiten, als Grundlage für die spätere fabrikmäßige Herstellung der Maschinen, kurz die Feststellung der grundlegenden Gesetze und Konstruktionsformen des Dieselmotorbaues.

Es wurde dabei immer an vollständig betriebsfähigen Maschinen gearbeitet, da die Herstellung besonderer Apparate zum Studium einzelner Vorgänge des Verfahrens meist ebensoviel oder mehr Zeit und Geld kostet wie die wirkliche Maschine und den Nachteil hat, daß die Ergebnisse, wenn sie auch wissenschaftlich interessant sind, doch nicht denen des praktischen Maschinenbetriebes entsprechen, so daß Fehlschlüsse die Folge sein können. Allerdings wurde an diesen betriebsfähigen Maschinen immer nur eine Frage auf einmal behandelt, da die gleichzeitige Behandlung mehrerer Aufgaben ebenfalls zu Trugschlüssen führt. Einzelne Vorgänge im Innern der Maschine, wie Zerstäuben, Einspritzen und Einblasen von Brennstoff, Flammenbildung usw., mußten zu ihrer Erforschung auch an offener Luft probiert werden, da hier die Beobachtung durch das Auge wichtige Schlüsse zuließ; aber auch dann wurden ausnahmslos die wirklich betriebsfähigen Organe an der wirklichen Maschine erprobt . Diese Art des Vorgehens erschien als die sicherste, direkteste und rascheste. Es entstand so nach und nach {7} ein mit allen Hilfsmitteln technischer und wissenschaftlicher Art ausgestattetes Laboratorium.

Von allen Versuchsobjekten sind genaue Konstruktionszeichnungen aufbewahrt worden, von allen Versuchen wurden Tag für Tag sofort gleichzeitig oder unmittelbar nachher auf das gewissenhafteste Journale geführt. Die Schlußfolgerungen aus den Versuchen wurden laufend niedergeschrieben und bei Versuchsserien tabellarisch oder graphisch zusammengestellt. Die vielen Tausende von Diagrammen wurden numeriert und bei den betr[effenden] Versuchsberichten eingeordnet. Von einzelnen besonderen Versuchsreihen oder Versuchsobjekten wurden außerhalb der allgemeinen Journale noch besondere Journale geführt.

Von allen Zeichnungen, Journalen und Diagrammen wurden den beiden beteiligten Firmen jeweils Duplikate übergeben, während die Originale in meinem Besitze verblieben.

Zur Hilfeleistung bei den Versuchen war mir ein Arbeiter beigegeben, mit dem allein ich alle vorkommenden Montagen, Demontagen und Versuchsarbeiten durchzuführen hatte. Auch alle Originalzeichnungen, Abänderungszeichnungen und Berechnungen, das Planimetrieren und Auswerten der Diagramme, das Schreiben der Versuchsjournale, die wissenschaftlichen Untersuchungen der Resultate und alle sonst vorkommenden Arbeiten mußten im allgemeinen von mir allein durchgeführt werden, bis mir nach zwei Jahren, als ich die Arbeit nicht mehr bewältigen konnte, ein junger Assistent beigegeben wurde.

Die ganze Versuchsangelegenheit war aber seitens der Fabrikdirektion dem Oberingenieur der Eismaschinenabteilung, Herrn Lucian Vogel, unterstellt, einem alten Freund aus meiner Münchener Studienzeit. Lucian Vogel hatte von Anfang an meine Vorschläge aus innerster Überzeugung unterstützt und hat während der ganzen langen und harten Versuchszeit nie einen Augenblick der Schwäche oder des Schwankens gezeigt. Wenn er auch selbst durch seine Berufsarbeit aufs äußerste angespannt war, so verfolgte er doch jede Einzelheit der Arbeiten genau, wohnte den wichtigen Versuchen bei, griff bei Zwischenfällen persönlich ein und sorgte für rasche Erledigung. Er hat die Arbeiten mit Rat und Tat und mit seiner reichen Erfahrung in selbstlosester und hingehendster Weise unterstützt und manchen guten Gedanken dazu gegeben.

Über die Arbeiten des Laboratoriums ist nunmehr zu berichten. Ich schicke voraus, daß ich mich dabei nicht auf mein Gedächtnis verlasse, sondern streng nur auf die Urkunden jener Zeit, bestehend in Korrespondenzen, Niederschriften und den erwähnten Zeichnungen und Versuchsjournalen, Dokumenten, die ich seit 15-18 Jahren nicht mehr durchgesehen hatte; sie bilden eine stattliche Anzahl {8} von Bänden und eine umfangreiche Sammlung von Originalzeichnungen, die später dem Deutschen Museum in München übergeben werden sollen. Die folgenden Darstellungen sind vielfach wörtliche Auszüge aus den Journalen und, soweit dies der Fall ist, durch Anführungszeichen kenntlich.

Eigentlich ist es eine undankbare Aufgabe, über technische Dinge aus längst vergangenen Zeiten zu berichten; dies ist aber unvermeidbar, wenn ein zutreffendes Bild von den Arbeiten, welche erforderlich waren, bevor das Ziel erreicht wurde, gegeben werden soll. Außerdem haben diese Arbeiten zu endgültigen Grundlagen und typischen Formen für den Dieselmotorbau geführt, welche heute noch allgemein Anwendung finden, so daß das Endergebnis der Darstellung doch wieder aktuell ist.