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Clevere Digitalisierung im Bereich Healthcare

Bayerischer Gesundheitsminister informiert sich über die Projekte SMILe und DARE

 
Clever Digitalisierung im Bereich Healthcare: Klaus Holetschek (5.v.r.), MdL, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, informiert sich an der Technischen Hochschule Augsburg über das Projekt SMILe mit Prof. Dr. Dr. h.c. Gordon Thomas Rohrmair (7.v.r.), Prof. Dr. Alexandra Teynor (2.v.r.), Prof. Dr. László Kovács (8.v.r.) und Ulrich Huggenberger (7.v.l.), CEO und Gründer XITASO GmbH. Bildnachweis: Technische Hochschule Augsburg, Felix Patzke.
24.07.2023
Augsburg

Jedes Jahr erhalten 30.000 Menschen weltweit eine Stammzellentransplantation, die oft starke Nebenwirkungen mit sich bringt: Die Technische Hochschule Augsburg (THA) hat gemeinsam mit dem Uniklinikum Freiburg, dem Universitätsspital Basel sowie dem Institut für Pflegewissenschaften der Universität Basel SMILe, ein digital gestütztes Nachsorgemodell, entwickelt. Es kombiniert digitale und menschliche Unterstützung passgenau und berücksichtigt dabei auch die ethische Seite im Bereich Healthcare. Aktuell wird die Nachsorgelösung, die aus einem studentischen Projekt heraus entstand von PLANFOX, dem Healthcare Geschäftsbereich des Software Unternehmens XITASO, lizensiert. Krankenhäuser möchten das System bei sich etablieren. Klaus Holetschek, MdL, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, hat sich darüber am Montag, 24. Juli, an der Technischen Hochschule informiert.

 

Gesundheitsminister Holetschek betonte: „Die beiden Projekte ‚SMILe‘ und ‚DARE‘ sind überzeugende Beispiele dafür, wie die Situation der Menschen in Bayern sowohl im Gesundheitswesen als auch in der Pflege konkret verbessert werden kann. Es freut mich, dass sich die TH Augsburg in Zusammenarbeit mit ihren Partnern darum bemüht, dass sich die Nachsorgesituation der Patientinnen und Patienten nach einer Stammzellentransplantation durch E-Health weiter verbessert und dabei die ethischen Fragen mitgedacht werden. Denn E-Health muss immer den Menschen dienen!“

SMILe steht für Development and Testing of an Integrated Model of Care in the Continuum of Allogeneic Hematopoietic SteM Cell TransplantatIon faciLitated by eHealth. Der Grundstein für SMILe wurde 2017 im Rahmen eines Studentischen Projekts an der Technischen Hochschule Augsburg gelegt. Anfangs haben Studierendengruppen mit 13 Teilnehmer:innen an der SMILe-Software gearbeitet, im Lauf der Zeit kamen weitere wissenschaftliche Mitarbeiter:innen dazu.

In enger Zusammenarbeit mit Patient:innen, Ärzt:innen und Pflegekräften aus dem Universitätsklinikum Freiburg, dem Universitätsspital Basel und dem Institut für Pflegewissenschaften der Universität Basel wurden die umfassenden Prozessschritte der Nachsorge bei einer Stammzellentransplantation analysiert und ausgewertet – aus Sicht der Patien:tinnen und der Pfleger:innen.

Clevere Digitalisierung
Schritt für Schritt lernten die Studierenden die Abläufe in der Klinik, die Herausforderungen des Pflegepersonals und die Situation der Patient:innen kennen: Was fordert die Patient:innen heraus? Welche Informationen benötigt das medizinische Personal? Welche die Ärzt:innen? Wie sehen die Nachsorgeprozesse aus? Welche Vitalwerte müssen erhoben werden? So entwickelten die Studierenden ein gemeinsames Verständnis für die Prozesse im Bereich der Nachsorge bei einer Stammzellentransplantation – die anschließend in enger Rücksprache mit den Projektbeteiligten digitalisiert wurden.

Über mehrere Intervalle hinweg entstand so eine digital orientierte Lösung, die sich genau an den Bedürfnissen der Gruppen anpasst und ausrichtet: „Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen, bevor die Prozesse digitalisiert werden, um wirklich herauszufinden, was Menschen von der App erwarten und wie es sich dann auf den Alltag in der Pflege und Nachsorge auswirkt“, erklärt Prof. Dr. Alexandra Teynor, Leiterin des Instituts für agile Softwareentwicklung der Technischen Hochschule Augsburg. Und Dr. Lynn Leppla, Pflegeexpertin am Universitätsklinikum Freiburg ergänzt: „Was das Projekt so besonders macht ist, dass wir verschiedene Methoden aus der Implementierungswissenschaft, verhaltenstheoretische Modelle und eine endnutzerorientierte Entwicklung mit Methoden der agilen Softwareentwicklung verknüpften.“

Innovativer Nachsorgeansatz
Und so funktioniert das System: Die SMILe-Technologie umfasst die SMILe-App für die Patient:innen und die browserbasierte SMILeCare-Monitoringkomponente für das Pflegeteam. Über die SMILeApp werden die Patient:innen aufgefordert, täglich Daten für 20 Überwachungsparameter einzugeben. Dazu gehören Bewertungen des allgemeinen Wohlbefindens, Temperatur-, Gewichts- und Blutdruckmessungen, 13 symptombezogene Parameter (Schmerzen, Anzeichen von Blutungen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag, Wunden im Mund oder Rachen, Kurzatmigkeit, Husten, Schmerzen oder Brennen beim Wasserlassen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Energielosigkeit, Schluckbeschwerden, verminderter Appetit) und drei verhaltensbezogene Maßnahmen (Einhaltung von Maßnahmen zur Infektionsprävention und Medikamenteneinnahme, Anzahl der Schritte).

Anhand der von den Patient:innen eingegebenen Daten erhalten sogenannte CareCoordinator:innen in den Kliniken Rückmeldung und können sich über den Gesundheitszustand der Patient:innen informieren. Konkret heißt das: Wenn ein oder mehrere Parameter vordefinierte Grenzwerte überschreiten, werden die CareCoordinatori:innen benachrichtigt und setzen sich bei Auffälligkeiten mit den Patient:innen umgehend in Kontakt oder bestellen sie in das Transplantationszentrum.  Darüber hinaus stärkt die tägliche Bewertung des Befindens das Körperbewusstsein und die Achtsamkeit der Patient:innen. Die Werte werden grafisch in einem Diagramm dargestellt. Die Visualisierung erleichtert den Patient:innen das Verständnis für den Verlauf der Nachsorge. Sie fühlen sich mit der digitalen Begleitung durch die App besser versorgt; ein Gewinn für die Patien:tinnen.

DARE – New Data, new Responsibility
Parallel zu SMILe startete an der Technischen Hochschule Augsburg das Projekt DARE - New DAta, new REsponsibililty, das sich mit ethischen Aspekten bei der Healthcare-Digitalisierung auseinandersetzt. „Das System der Gesundheitsnachsorge verändert sich durch die Digitalisierung rasant – aber welche Verantwortungen haben die Beteiligten unter diesen neuen Voraussetzungen? Diese Frage kommt bei der Digitalisierung im HealthCare-Bereich oft zu kurz“, erklärt Prof. Dr. László Kovács, Sozialethiker der Technischen Hochschule, der DARE wissenschaftlich leitet.

Sein Team beschäftigte sich mit der Rolle der Patient:innen, Ärzt:innen, Pflegenden und Software-Entwickler:innen, um daraus Vorschläge zur ethischen Reflexion bei der Einführung von digitalen Tools in das Gesundheitssystem zu erarbeiten. Die Ergebnisse flossen in die Entwicklung von SMILe ein.

„Die Nachsorge bei einer Stammzellentransplantation ändert sich durch SMILe grundlegend“, erklärt Kovács. „Die Pflegenden erhalten hier eine ganz neue Verantwortung und ein neues Aufgabenfeld. Durch die App sind sie permanent mit den Patien:tinnen verbunden – können konkret nachfragen, wenn einmal Daten nicht aktualisiert wurden. Die Pflegenden entscheiden auch, ob die Patient:innen einen Arzt sehen müssen oder nicht. Die Rolle der Pflegenden wird dadurch aufgewertet, da sie die Ärztinnen und Arzte entlasten und gleichzeitig die Nachsorge auf ein höheres Level heben. Die Forschung zeigt: Krankenhäuser haben großes Interesse, das Konzept von SMILe umzusetzen.

PLANFOX, der Healthcare Geschäftsbereich des IT-Unternehmens XITASO, wird SMILe zur Marktreife führen und lizensieren. Dr. Andreas Angerer, Head of Research & Innovation, lobt die Arbeit der TH Augsburg: Die App sei konsequent nutzerzentriert entwickelt worden und sehr solide gebaut. Die nächsten Schritte für Angerer sind, die App für die reguläre Versorgung weiterzuentwickeln, sie durch standardisierte Tests zu zertifizieren und auf verschiedene IT-Systeme anzupassen und dann bundesweit auszurollen. Schritte, die Angerer Hand in Hand mit der Technischen Hochschule Augsburg gehen möchte. „Wir profitieren enorm von der Forschung an der Technischen Hochschule Augsburg. Der innovativen Nachsorgeansatz von SMILe gelang nur, weil verschiedenste Disziplinen fächerübergreifend zusammenarbeiteten – in der TH Augsburg selbst und über (nationale) Grenzen hinweg – ein Modell für künftige Zusammenarbeit.“