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StarkStrom Augsburg geht in dieser Saison mit „Roter Kobold“ an den Start

Formula-Student-Projekt der Technischen Hochschule Augsburg stellt neuen Elektro-Rennwagen vor

 
Er ist enthüllt, der „Rote Kobold“, der aktuelle Rennwagen des Vereins StarkstromAugsburg für die Saison 2023. Fotos: Daniel Fürst, hoch3media
04.07.2023

Der Verein StarkStrom Augsburg e.V., das interdisziplinäre Formula Student Projekt der Technischen Hochschule Augsburg (THA), hat Mitte Juni seinen neuen Rennwagen im SIGMA Technologiepark Augsburg feierlich enthüllt. Der Rollout stand unter dem Motto „10 cars – one vision“. Als Hommage an die Stadt Augsburg ist der Name des Rennwagens auch in diesem Jahr wieder einer Figur aus der Augsburger Puppenkiste entlehnt. Mit „Roter Kobold“ aus „Lilalu im Schepperland“ wird das Team in dieser Saison an den Start gehen.

 

Technische Neuerungen des aktuellen Elektrofahrzeugs wurden beim Rollout vorgestellt und erläutert. Liam Schottdorf, Technical Director Mechanic des StarkStrom Augsburg e.V. erklärte: „Dieses Jahr haben wir im Bereich Maschinenbau unser Kühlsystem optimiert und uns von einem herkömmlichen offenen System verabschiedet und setzen nun auf ein geschlossenes System, das dank eines Entlüftungsbehälters innerhalb von Sekunden Luftblasen aus dem Kühlsystem entfernen kann.“ Das verbessere die Kühlleistung und Effizienz und ermögliche das Fahren ohne Bedenken, sogar an sehr heißen Sommertagen.

Im Bereich Fahrwerk habe das Team beim neuen Boliden für die aktuelle Saison auf bewährte Systeme gesetzt. Gleichzeitig habe man aber eine Neuentwicklung in diesem Bereich für die kommenden Saisons vorbereitet. Schottdorf sagte anlässlich des Rollouts: „Unser Monocoque hat die Flexibilität bekommen, sowohl das aktuelle als auch das neue Fahrwerk zu nutzen, damit wir am Anfang der nächsten Saison direkt das neue Fahrwerk testen können.“

Neues Aerodynamikpaket

Die größten sichtbaren Neuerungen habe das Aerodynamikpaket bekommen. Der Sidewing aus dem vergangenen Jahr wurde überarbeitet und der Frontwing, Splitter und Rearwing neu entwickelt. Die neuen Konstruktionen des Front- und Rearwings haben laut Schottdorf sehr geschwungene und markante Geometrien, die eine Steigerung der Downforce um 20 Prozent ermöglichen. Dieses neue und komplexe aerodynamische Paket sei mit der bisher präzisesten Simulation entwickelt worden und komme somit den realen Werten am nächsten.

Auch bei der Fertigung der Flügel gab es Neuerungen. Schottdorf schilderte es so: „Wir versuchen immer mehr, mit recyceltem carbonfaserverstärktem Kunststoff zu arbeiten und dabei trotzdem die notwendige Stabilität zu gewährleisten. Dass uns dies gelungen ist, kann am Sidewing und vor allem am Rearwing betrachtet werden.“

Autonomes Fahren

Über den Bereich Software sagte Tim Guttzeit, Technical Director Software des StarkStrom Augsburg e.V.: „Über die Jahre hat sich ein Konzept bewährt: Ein robuster Software-Stack, in dem bestehende Systeme verfeinert werden und die größten Problemstellen ausgemerzt werden.“ Zunächst habe das Team dank des Hauptsponsors TUXEDO Computers nochmal an Rechenleistung zugelegt. Durch Verwendung der Platine des Stellaris 15 Gen4 konnte zusätzlich dazu auch noch einiges an Platz im Fahrzeug eingespart werden. Die Perception, also die Wahrnehmung der Strecke, habe hardwareseitig ein Upgrade bekommen, denn dank neuer Sensoren konnte das Rennteam die Datenqualität entscheidend verbessern. Durch einen neuen LiDAR von Ouster und Kameras von Flir können eine höhere Auflösung der Kamerabilder und der dreidimensionalen Punktewolke erreicht werden. In diesen werden dann die Hütchen, englisch Cones, erkannt, die die Strecke begrenzen.

Die Bahnplanung selbst funktioniert laut Guttzeit bis auf einige Randfälle mittlerweile sehr zuverlässig. Aufgrund dieser Randfälle hätten die Entwickler:innen diese Saison im Bereich „Mapping und Trajectory Planning“ viel Aufwand in eine Pipeline zum Generieren und Testen von virtuellen Strecken gesteckt. Durch ein Tool, das aus händisch gezeichneten Strecken eine regelkonforme Formula-Student-Strecke erstellt, gebe es nun die Möglichkeit, Strecken zu generieren, die genau die Streckenarten abbilden, mit denen die Software noch Probleme hat. Guttzeit sagte: „Damit trainieren wir ein neues neuronales Netz zur Bewertung der verschiedenen Streckenoptionen, die unser Bahnplanungsalgorithmus ausgibt. Daraus erhoffen wir uns eine Steigerung der Verlässlichkeit unserer Software auch in diesen Randfällen und schließen eine unserer größten Problemstellen aus.“ Die so generierten Strecken würden dann auch dazu genutzt, um simulativ eine der bisher größten Neuentwicklungen zu testen: den „Model Predictive Control“-Ansatz, kurz MPC.

Model Predictive Control

Der MPC ist ein virtueller Fahrer und verwendet im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen eine mathematische Abbildung des Fahrzeugs. Das Modell wird benutzt, um während der Fahrt mehrere Berechnungen durchzuführen, die jeweils circa eineinhalb Sekunden in die Zukunft reichen. Mittels einer Kostenfunktion werden diese Berechnungen dann bewertet, sodass am Ende nur die beste Lösung ausgegeben wird. Diese Lösung beinhalte ideale Werte, wie z.B. Lenkwinkel, Beschleunigung, Giergeschwindigkeit etc., welche die schnellstmögliche Rundenzeit generieren sollen. Aber auch der reale Fahrer wird besser unterstützt, durch die Weiterentwicklung der Assistenzsysteme, z. B. das „Torque Vectoring“, mit dem die Agilität des Fahrzeugs gesteigert werde oder die Traktionskontrolle, mit der die bestmögliche Traktion zur Straße sichergestellt werde.

Vincent Wagner, Technical Director Electric des StarkStrom Augsburg e.V. schilderte: „In der Elektrotechnik entfaltet unser Rennauto seine volle Power – von der kleinen Steuerungsplatine angefangen, über unseren Hochvolt-Akku, bis hin zu unserem Antriebsstrang. Wir brauchen jedes Jahr eine Menge selbst entwickelter Platinen. Manche dieser Platinen versorgen unser Auto mit Power, einige messen den aktuellen Zustand des Fahrzeugs und wieder andere sind wichtig für die Sicherheit unseres Rennautos. Dieses Jahr können wir einige bewährte Systeme und Platinen aus den vergangenen Jahren wiederverwenden, wieder andere wurden verbessert oder komplett neu entwickelt und an unsere neuen Ansprüche angepasst.“ Wie jedes Jahr musste auch heuer ein neuer Kabelbaum am Computer geplant, anschließend gelegt, gebündelt und alle Kabel auf richtige Länge gebracht und mit den richtigen Steckern versorgt werden. Dabei habe das Team sich vor allem auf die Wissensweitergabe und Dokumentation fokussiert, damit für die Zukunft eine gute Grundlage und stetige Innovation für die kommenden Fahrzeuge gewährleistet ist.

In der Saison 2023 hat sich das Rennteam von StarkStrom Augsburg für die Formula Student Netherlands, die Formula Student East und die Formula Student Germany qualifiziert.

 
Der Rennwagen ist enthüllt. Teammitglieder stehen daneben.
 
Der Rennwagen Roter Kobold