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Die Baukunst der alten Griechen: Planung oder Zufall? – Studierende der Hochschule forschen am Tempel Poseidons in Paestum

 
Bauingenieurwesen

Projektbeschreibung

Als 1752 die baulichen Überreste antiker Besiedlungen in Paestum entdeckt wurden avancierte der Ort in Kampanien, Italien, schnell zum Wahlziel der Grand Tour, dem Vorgänger heutiger Bildungsreisen. Auch Goethe machte im Rahmen seiner berühmten Italienreise Halt in Paestum und bildete sich vor Ort weiter.

Dort findet er sagenhaft gut erhaltene Kultgebäude aus griechischer Zeit, z.B. den sog. Poseidontempel aus den Jahren 480-470 v.Chr.

Im April 2017 machen sich drei Studierende der Hochschule Augsburg ebenfalls auf den Weg nach Paestum, heute eine UNESCO-Weltkulturerbestätte: Doris Henning, Andreas Bauer und Dominik Leyh. Sie studieren Bauingenieurwesen und bearbeiten das Projekt im Rahmen ihrer Bachelorarbeit am Vermessungslabor von Prof. Dr.-Ing. Reinhold Weber.

Mit modernen Messmethoden ermitteln sie Maße und Unmaße des Tempels. Neben Größe, Kubatur und Gewicht interessieren vor allem optische Verfeinerungen, welche die dorischen Baumeister vielleicht verbauten. Wie lösten sie den Eckkonflikt? Wo findet sich an dem Gebäude überall eine Kurvatur (=leichte Wölbung der Gebäudekante)? Stehen die Säulen exakt im Lot? Ist ihre Grundfläche wirklich einheitlich rund?

Diese Fragen wurden in der geisteswissenschaftlichen Forschungsgeschichte dieses Tempels oft diskutiert, doch machte die Größe des Bauwerks es sehr beschwerlich (vor allem im Dachbereich) exakt Maß zunehmen.

Mit den aktuell modernsten Verfahren der berührungslosen Bauwerksvermessung – dem Laserscanning, der reflektorlosen Tachymetrie und der Photogrammetrie – sollen durch das Team der Hochschule Augsburg nunmehr belastbare Antworten auf einige der vielen ungeklärten Fragestellungen gegeben werden.

In der Form eines Lehrfilms wird gleichzeitig die Vorgehensweise einer professionellen Ingenieurvermessung in der Archäologie dokumentiert

Der Laserscanner surrt leise vor sich hin. Er misst innerhalb einer Woche von 30 Standorten aus rund eine halbe Milliarde Punkte an. Den Boden, die Säulen und auch den Dachrand misst er mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern auf. Die 30 abgespeicherten Punktwolken lassen sich am Computer zu einer großen Cloud zusammenfügen und in ein CAD-Programm importieren. Dort kann man damit weiterarbeiten. Unter vielem anderen können beliebige Schnitte und Ansichten des Bauwerks erstellt und in vermaßten Plänen dargestellt werden.

Die Punktwolke aus dem Lasescanning wird mit dem Tachymeter gestützt und im lokalen Paestum-Koordinatensystem verortet. Andreas Bauer – der ‚Tachymeterspezialist‘ der Gruppe – hat dafür in 60 Arbeitsstunden rund 2000 Messpunkte händisch anvisiert, gemessen und kartiert. Wenn auch die Arbeit mit dem Tachymeter zeitraubend ist, ermöglicht sie doch eine sehr hohe Präzision der Messergebnisse.

Die Messpunkte werden weiter für die Entzerrung der photogrammetrischen Aufnahmen benötigt. Dabei errechnet der Computer aus einer großen Menge von Fotos und exakten Punkt-Koordinaten ein 3D-Modell des Tempels.

Im Moment befindet sich die Gruppe in der Auswertungsphase, und die Spannung steigt, welche Forschungsthesen mit ihren Messergebnissen gestützt, welche widerlegt und welche neu aufgestellt werden können.

 

Beteiligte Personen

  • Prof. Dr.-Ing. Reinhold Weber
  • Doris Henning (Autorin)
  • Andreas Bauer
  • Dominik Leyh
 
Poseidontempel mit Basilika im Hintergrund von NO
Bild 1: Poseidontempel von Nordost mit Basilika im Hintergrund
Laserscanner im Tempel _3
Bild 3: Laserscanner im Tempel
Tachymeter
Bild 5: Tachymeter an der Südwestecke des Tempels
Gruppenfoto vor Tempel
Bild 2: Dominik Leyh, Andreas Bauer, Doris Henning (v.li.n.re) mit Poseidontempel
Punktwolke von S__dwesten
Bild 4: Punktwolke von Südwesten
3D_Photogrammetrie Ostfassade
Bild 6: Ostfassade des Tempels, 3D-Photogrammetrie