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CO-X Augsburg: Eine Offene Werkstatt am neuen Augsburger Bahnhofsplatz West

 
Energieeffizientes Planen und Bauen – E2D

Projektbeschreibung

Bachelorarbeit Elke Widmann, WS 2019-20
Betreuung: Prof. Dr. Joachim Müller, Prof. Susanne Runkel
Studiengang: Energieeffizientes Planen und Bauen – E2D

Aus der Aufgabenstellung:

Welchen Beitrag kann der neue Bahnhofsvorplatz West für die Stadtgesellschaft leisten? Unter dem Motto „Make – Learn – Share“ soll an zentralem Ort in Augsburg ein Stadtbaustein entstehen, der Eigenarbeit als wichtige Facetter einer (Stadt-) Kultur versteht, Kooperationen und Partizipation unterstützt und mit den  Themen des Ressourcenverbrauchs, Kreislaufdenkens und Upcycling kombiniert. Konkret steht der Titel „CO-X Augsburg“ einerseits für ein Miteinander (CO) unterschiedlichster Art (-X), für eine neue Typologie von Nutzungsmischung, die das Programm des Entwurfs prägt mit dem Ziel, Synergien sichtbar und erlebbar zu machen. CO-X steht andererseits für das Ziel, ein Bauprojekt ressourceneffizient zu planen und Kohlenstoffdioxidemissionen (CO2) in den Konstruktionen sowie der Nutzungsphase in zu minimieren.

Zum Programm: Bereiche eher handwerklicher/ technischer Werkstätten (als offene Werkstatt) und Büroarbeitsplätze (im Sinn einer Co-Working-Organisation) bilden den Kern, sie werden ergänzt durch einen allgemeinen Bereich für Begegnung und Veranstaltung, Verkauf und Wohnen auf Zeit. "CO-X Augsburg" soll sowohl den Nutzern als auch Gästen eine besondere Erlebnis-Qualität "des Gemeinsamen" bieten.

Zum Ort: Mit dem Bau einer den Bahnhof unterquerenden Straßenbahn mit Haltestelle und Anbindung an den überregionalen Zugverkehr entsteht auch auf der Westseite ein attraktiver Vorplatz mit idealer Verkehrsanbindung. Auf Grundlage der aktuellen Planungsbasis der Stadt Augsburg ist das neue Gebäude als markante Eckbebauung des Bahnhofsplatzes zur Rosenaustraße platziert und markiert die besondere Nutzung einer offenen Werkstatt als wertvolles Element der Stadtkultur.“

 

Erläuterung des Entwurfs (Elke Widmann):

Orientiert an dem Leitgedanken „Make – Learn – Share“ soll ein Ort des synergetischen und kooperativen Miteinanders im Zentrum Augsburgs entwickelt werden. Die Verknüpfung unterschiedlicher Bereiche, Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten steht hierbei im Mittelpunkt des Gebäudeentwurfs.

Städtebauliche Einbindung am Gelenkpunkt des Bahnhofsvorplatzes West zur Rosenaustraße und dem Thelottviertel
Städtebauliche Einbindung am Gelenkpunkt des Bahnhofsvorplatzes West zur Rosenaustraße und dem Thelottviertel

Außenraumkonzept

Das Gebäude markiert die städtebaulich bedeutende Übergang des Bahnhofsvorplatzes zur Rosenaustraße. Der im Norden gelegene Bahnhofsvorplatz Augsburg West stellt den zentralen Bezugspunkt dar, weshalb die hierzu orientierte Fassade vollflächig verglast wurde. Dies soll vorbeilaufenden Passanten einem Schaufenster gleich Einblicke in das Innere des Kreislaufhauses gewähren, deren Interesse wecken und zu einem Besuch einladen.

Um den kompakten Grundkörper in seiner städtebaulichen Außenraumwirkung aufzulockern, wurde eine schräg verlaufenden Lamellenhülle über den Kubus gestülpt. Zugleich dient dieser als Sonnenschutz der ost- und westorientierten Fenster. Die umlaufende Hülle lässt einen röhrenartigen Charakter entstehen, welcher durch einen hohen Verglasungsanteil der Nord- und Südfassade optisch verstärkt wird. Im direkten Kontrast zu den sich öffnenden Flächen stehen die lamellenverdeckten, geschlossen Ost- und Westseiten.

Ansicht Nord vom Bahnhofsvorplatz aus (oben), Ansicht Ost (links unten) und Ansicht Süd (rechts unten)
Ansicht Nord vom Bahnhofsvorplatz aus (oben), Ansicht Ost (links unten) und Ansicht Süd (rechts unten)
Ansicht West von der Rosenaustraße mit Blick Richtung Bahnunterführung
Ansicht West von der Rosenaustraße mit Blick Richtung Bahnunterführung

Gebäudestruktur

Der zunächst kompakt wirkende Kubus wird hierbei durch Subtraktion der angrenzenden Bohrpfahlwand, sowie des kreuzweise verlaufenden Treppenkerns in eine innere Struktur gebracht.

Entwicklung der Gebäudeform als Subtraktion einzelner Volumina zur inneren Strukturierung, Erschließung
Entwicklung der Gebäudeform als Subtraktion einzelner Volumina zur inneren Strukturierung, Erschließung

Der entstehende Luftraum - welcher über Falttreppen, sowie Brücken erschlossen wird - soll die verschiedenen Gebäudenutzungen sowohl räumlich, als auch visuell miteinander verbinden und offene Kommunikationsbereiche schaffen.

So kann bei einem Kaffee ein Einblick in das Geschehen der darüber liegenden offenen Werkstätten gewonnen, theoretisch entwickelten Ideen von Startups (Coworking 3. OG) erprobt und in die Realität umgesetzt (Werkstätten 1.-2.OG), sowie verschiedenste Kurse, Workshops und Veranstaltungen in den obersten Geschossen abgehalten werden.

Grundrisse 3.OG, 4.OG und Dachaufsicht
Grundrisse 3.OG, 4.OG und Dachaufsicht
Grundrisse EG mit Anbindung an Bahnhofsvorplatz West, 1.OG, 2.OG mit Anbindung an obere Landschaftsebene nach Osten
Grundrisse EG mit Anbindung an Bahnhofsvorplatz West, 1.OG, 2.OG mit Anbindung an obere Landschaftsebene nach Osten
Querschnitt durch das Gebäude (rechts Rosenaustraße, links obere Landschaftsebene), Längsschnitt (links Bahnhofsvorplatz)
Querschnitt durch das Gebäude (rechts Rosenaustraße, links obere Landschaftsebene), Längsschnitt (links Bahnhofsvorplatz)

Energiekonzept

Neben architektonischen und konzeptionellen Anforderungen sollte das Gebäude hinsichtlich energetischer und ressourceneffizienter Themenschwerpunkte optimiert werden. Aufgrund dessen wurde bei der Planung das Erreichen des Effizienzhausstandards KfW 55 angestrebt. Dieser konnte mittels geeigneter Bauteilaufbauten und Anlagentechnik erreicht werden.  

Das Gebäude wird von einer Grundwasserwärmepumpe, sowie einer Solaranlage versorgt. Mittels Kombispeicher kann zugleich das temporär gewonnene Trinkwarmwasser des Kreislaufhauses  gespeichert und bei Bedarf verwendet werden. Des Weiteren kann die entstehende Abwärme der Maschinen und Computer in Werkstätten, sowie im Coworking Bereich durch Wärmerückgewinnung einer Lüftungsanlage weiter genutzt werden.

Energie- und Lüftungskonzept
Energie- und Lüftungskonzept

Die speziellen Nutzungsprofile des Objektes bedingen den Einsatz einer dezentralen, mechanischen Lüftungsanlagen, das Gebäude soll jedoch zu Großteilen durch ein natürliches, passives Konzept belüftet werden. Durch das geplante Atrium kann in Kombination mit Durchlässen und Öffnungselementen der Fassade sowie in raumtrennenden Innenwänden eine komplette Durchströmung des Gebäudes gewährleistet werden. Die entstehende Luftzirkulation basiert hierbei auf dem Prinzip des thermischen Auftriebs: Kalte Luft strömt in Bodennähe in das Gebäude, erwärmt sich, steigt nach oben und wird über seitliche Öffnungselemente des Atriums am höchstgelegenen Punkt abgeführt.

In den Sommermonaten kann somit das Prinzip der Nachtlüftung angesetzt werden. Die gespeicherte Wärme steigt im Tagesverlauf nach oben, Nachts werden nun alle Fassadenelemente und Durchlässe geöffnet, kalte Luft strömt in das Gebäude und lässt Wärme entweichen. Massereiche Bauteile speichern die Temperaturspitzen und geben diese Energie durch die wieder ab. Da die Grundkonstruktion als Holzbau geplant wurde, fungieren innenliegende Stampflehmwände hierbei als thermische Speichermasse.

Materialkonzept

Das Konstruktion des Gebäudes basiert auf der Verwendung nachwachsender Rohstoffe und Recyclingprodukten, welche unter Berücksichtigung der Projektschwerpunkte Rückbau und Demontage, Sortenreinheit und Trennbarkeit konzipiert wurden. Bei den verwendeten Holz-konstruktionen wurde hierbei auf den geringen Einsatz von Klebstoffen und Bindemitteln geachtet.
Der mehrgeschossige Baukörper soll als vorgehängt hinterlüftete Holzständerkonstruktion mit Geschossdecken aus Brettstapelholz und einem extensiven Gründach geplant werden. Durch eine Aufständerung, sowie dem Verzicht auf ein Kellergeschoss konnte die Bodenplatte ebenfalls aus gedübelten Brettstapeldecken realisiert werden. Die mittels EPDM Folie abgedichtete Platte liegt hierbei vollflächig auf Schaumglasschotter auf. Dieser wir im Wesentlichen aus Altglas gewonnen und übernimmt sowohl wärmedämmende, kapillarbrechende, als auch drainierende Funktionen.

Materialkreisläufe am Beispiel Holz und Lehm
Materialkreisläufe am Beispiel Holz und Lehm

Aufgrund der geringen Wärmespeicherkapazität von Holz wurden zusätzlich Stampflehmwände sowie Lehmbauplatten als thermische Speichermasse vorgesehen. Das Rohmaterial kann aus dem Aushub der Gründung gewonnen werden und stellt somit ein regionales Bauprodukt dar. Zudem reguliert Lehm  die Feuchtigkeit im Innenraum und absorbiert, bzw. neutralisiert Schad- und Giftstoffe der Luft.

Materialproben
Materialproben

Fassadenkonzept

Als Fassadenverkleidung wurde eine verkohlte Holzschalung gewählt. Beim Carbonatisieren wird hierbei die oberste Schicht des Holzes verbrannt, wodurch einerseits die individuelle Maserung des Holzes hervortritt und eine optisch hochwertige Oberfläche erzeugt. Andererseits verdichten sich beim Verkohlen die einzelnen Zellen des Baustoffes und schützen diesen in Folge vor Feuchtigkeit, Witterungseinflüssen und Schädlingen. Aufgrund dessen ist keine weitere Behandlung des im Außenbereich eingesetzten Holzes notwendig.

Im Kontrast zum schwarzen Grundkörper soll die Hüllenkonstruktion aus vorvergrauten Lamellen entstehen. Durch Witterungseinflüsse bilden unbehandelte Hölzer bereits nach wenigen Monaten eine natürliche, gräuliche Patina aus. Um daher eine gleichmäßige Farbintensität zu erhalten und den Wartungsaufwand durch Beschichten der Verschattungselemente zu minimieren, werden die Lamellen mit einer speziellen Vergrauungslasur behandelt.

Modellfoto mit Blick von Süden (Rosenaustraße links)
Modellfoto mit Blick von Süden (Rosenaustraße links)

Ökologisches Konzept

Als Themenschwerpunkt der Bachelorarbeit wurde die Ökobilanzierung des Gebäudes aufgeführt. Diese soll eine lebenszyklusorientierten Planung fördern, emissionsbedingte Umweltwirkungen, wie den Treibhauseffekt, Ozonlöcher oder Sommersmog minimieren und den Einsatz endlicher Ressourcen reduzieren.
Für die durchgeführte Bilanzierung wurde insbesondere das Treibhauspotential GWP (global warming potential) untersucht. Hierbei wird das, in verschiedenen Lebensphasen freigesetzte CO2 der verschiedenen Baustoffe in Bezug zur Nettogrundfläche des Gebäudes berechnet.

Bauteil- und phasenbezogenes Global Warming Potential
Bauteil- und phasenbezogenes Global Warming Potential

Für die Ermittlung der CO2 neutralsten Konstruktion wurde bereits während des Entwurfsprozesses ein Variantenvergleich verschiedener Außenwandkonstruktionen erstellt. Hierfür wurden Holzständer-, Massivholz- und Stahlbetonweise mit gleichwertigen Wärmedurchgangskoeffizienten konstruiert.

Betrachtet man die Gesamtbilanz der verschiedenen Bauweisen wird deutlich, dass die Variante Stahlbeton das höchste GWP aufweist. Dies ist auf den im Beton enthaltenen Zement zurückzuführen, welcher im Herstellungsprozesses viel Energie benötigt und eine hohe CO2 Emission verursacht.
Holz hingegen bindet während der Lebensphase durch Photosynthese das Kohlenstoffdioxid der Luft. Das größere GWP-Wert der Massivholzwand ist hierbei auf die höhere Masse der Konstruktion zurückzuführen.

Details der Gebäudehülle
Details der Gebäudehülle
 

Abgabeleistungen

  • Lageplan (M 1: 500), Grundrisse, Ansichten, Schnitte (M 1: 100)
  • Materialkonzept incl. Detaildarstellungen M 1:10 der Fassade mit Darstellung von Sonnen- und Blendschutz.
    Ein besonderer Fokus liegt auf einem nachhaltigen Materialeinsatz incl. der Demontage- und Recycling-Fähigkeit
  • Energie- und Ökobilanzierung:
    _ Konzeptphase: Drei strategische Varianten mit qualitativer Beschreibung der Konzeption, Konstruktion und Technik sowie Kenndaten (U-Werte, Ökodaten, erneuerbare Energien …)
    _ Entwurfsphase Energiebilanzierung: mit Auswertung End- und Primärenergiebedarf Ist und Referenz, Einsatz erneuerbare Energien sowie passive Maßnahmen
    _ Entwurfsphase Ökobilanzierung (eLCA): mit Randbedingungen der Zertifizierung DGNB und mit folgender Auswertung (Zahlenwerte und grafisch): 
    - GWP Global Warming Potential (in kg CO2äquivalent pro m2NGF) Gesamt sowie differenziert nach Konstruktion und Nutzung
    - GWP Global Warming Potential (in kg CO2äquivalent pro m2NGF) der Konstruktion: Differenziert nach AW, DE+TR, DA, BP, FE, IW und TGA und differenziert nach den jeweiligen Modulen A bis D
  • Standort iund soziale Nachhaltigkeitskriterien:
    Individuelle Bewertung des Standortes gem. SITE 1.1, 1.3 und 1.4, Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes, Nachweis der Tageslichtversorgung, Barrierearmer Zugang und Nutzungsmöglichkeiten.
  • Modelle M 1:500 / 1:100

Zur Vorbereitung auf die Bachelorarbeit waren E2D-Studierende in Augsburg und München unterwegs auf den Spuren einer neuen Werkstatt-Kultur, hier der Bericht: "Make - Learn - Share".

 
 

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